Hallo ihr zwei
Jetzt habe ich endlich mal Zeit, um auch hier zu antworten... das dauert jetzt wieder etwas länger, fürchte ich...
Zitat geschrieben von Perse
In der Streuobtwiese wollte ich zwischen den Bäumen eigentlich eine Blumenwiese / Bienenweide säen.
Hübsch und insektenfreundlich etc. Nun meinte der Gala-Mann dass das keine gute Idee sei da ich eine hübsche Blumenwiese ca alle 3 Jahre neu anlegen muss da das sonst nix wird. Er hätte mir nun eher zu einem Kräuterrasen geraten.
Alsoooo....
So wie Jutta schon andeutete, hat dein Galamann nicht ganz unrecht. Das ist ein bisschen schwierig zu erklären, ich versuche es aber dennoch einmal...
Das, was die meisten Leute unter einer "Blumenwiese" verstehen, sind bunt blühende Flächen, wo die vielfältigsten Blumen blühen und man z.B. Wildblumensträuße von pflücken kann. Meist versucht man das Bild dieser "heilen Blumenwiesen-Welt" auf seinen Standort, wo man sie gerne hinhaben möchte, hinzuprojizieren. Da ist es doch praktisch, dass der Handel dann schon passende Mischungen anbietet (die nennen sich dann auch gern "Blumenteppich", "Feldblumenwiese", "Blütenrain", etc.) und man das Ganze dann bloß aussäen muss!
... sollte man meinen!
Die Realität ist nur leider ganz anders...
Die Gründe dafür, warum es mit diesen Mischungen nicht funktioniert, wie man sich das so vorstellt, sind vielfältig.
Ich teile sie an dieser Stelle mal ein, in: Zusammensetzung. Boden/Standort. Regionalität. Und Nutzung.
1.) die Zusammensetzung.
Tatsächlich passieren hier schon einige Fehler!
Die meisten handelsüblichen "Blumenmischungen" der so genannten "Wiesen" enthalten in der Regel nur Einjährige, in geringen Mengen auch Zweijährige Kräuter. In seltenen Fällen bekommt man auch mal eine Mischung, in denen zusätzlich auch staudige Pflanzen enthalten sind.
Wie sieht nun der Lebenszyklus dieser Pflanzen aus? Im ersten Jahr ist es eine Pracht, weil dann die Einjährigen wie Kornblumen, Klatsch-Mohn, Malve usw. aufgehen und mit einem kräftigen Blütenflor für ein erstes "Wow" sorgen.Bei einer Einjährigen Mischung wäre im nächsten Jahr der Spaß leider schon vorbei...
Hast du eine Mischung mit Zweijährigen drin, dann hast du das "Wow" im ersten Jahr, klar. In der Zwischenzeit gehen die Zweijährigen auf und etablieren sich. Im zweiten Jahr blühen dann die Königskerzen, der Natternkopf, die Nachtkerzen usw. und wenn du Glück mit der Mischung (und anderen Faktoren - dazu komme ich noch) hast, dann samt sich was aus und im nächsten Jahr wächst vllt auch wieder was an dieser Stelle. Aber an sich ist es halt oft so, dass nach dem ersten "Wow" und dem zweiten "aha" (viele mögen den Wuchs der Zweijährigen nicht so besonders bzw. finden ihn gewöhnungsbedürftig), im dritten Jahr nur noch ein schnödes "wie jetzt??" einsetzt.
Hast du eine selten angebotene Mischung mit (meist kurzlebigen) Stauden drin, dann hast du im ersten Jahr das "Wow", im zweiten Jahr das "aha" und im dritten Jahr vllt ein "sieh mal an" (weil nicht alles so schön blüht, wie man sich das vorgestellt hat)
Projekt "Blumenwiese" aus dem Handel gescheitert...
Was machen die alle verkehrt?
Das sagt der Name schon! Es heißt ja: Blumen
wiese!
Und was wächst auf einer Wiese?
Richtig: Gras.
Was all diesen Blumenwiesenmischungen, die man bei etlichen Discountern usw. zu kaufen bekommt, fehlt, sind die Gräser.
Die Gräser bilden das "Rückgrat" einer Wiese, den "Rahmen". Ohne die Gräser sind all diese Mischungen nur völlig belanglose Zusammenstellungen von unterschiedlichsten Blümchen.
Will man eine gute Blumenwiese haben, braucht man also Gräser in einer Mischung.
Deshalb mein erster Rat von mir an dich: Mach nicht den Fehler eine x-beliebige Blumenwiesenmischung irgendwo zu kaufen, insbesondere wenn keine Gräser in der Mischung enthalten sind!
2.) der Boden/ Standort.
Schwupp, sind wir wieder bei deinem Lehmboden.
Viele der von mir bereits erwähnten Blümchen usw. sind am glücklichsten mit einem durchlässigen, mageren, eher sandigen Boden. Also das krasse Gegenteil von deinem Boden. (Wobei wir uns ja noch glücklich schätzen sollten, dass du es nicht mit einem "waschechten" Tonboden zu tun hast - der soll noch schlimmer sein...)
In der einschlägigen Literatur (ich beziehe mich hier auf das Buch "Rasen und Wiesen im naturnahen Garten" von Frau Ulrike Aufderheide aus dem Pala Verlag von 2011) wird empfohlen, den Boden mit Sand abzumagern und so auch durchlässiger zu machen. Abmagern ist vermutlich hier auch das Stichwort, denn bei so viel Landwirtschaft um euch herum, sind Nährstoffe in eurem Lehmboden wohl eher nicht so das Problem. Durchlässigkeit dagegen ist dann schon etwas schwieriger, da reichen schließlich nicht nur ein paar Eimerchen Sand aus. Frau Aufderheide spricht da von Größenordnungen wie "mindestens 100 Litern Sand auf einen Quadratmeter", entsprechend "einer zehn Zentimeter dicken Schicht", die dann auch noch in den Boden eingearbeitet werden muss.
Nur von Hand ist das sicher nicht zu empfehlen. Ich weiß auch nicht, ob ihr da mit eurem Minibagger allzu weit kommen werdet. Da wäre eine Fräse oder eine Motorhacke, die mindesten 20cm tief den Boden bearbeiten kann, nützlich...
Aber es ist ja nicht nur die Krume an sich...
Habt ihr eine Ahnung, was für einen pH-Wert ihr habt?
Das ist nämlich auch so ein Problem der Mischungen... das einige der Pflanzen mit bestimmten pH-Werten im Boden nicht klarkommen.
Es wäre hilfreich zu wissen, ob der Boden stark kalkhaltig oder eher sauer ist.
Frau Aufderheide empfiehlt hierzu folgendes:
Zitat
Zur Bestimmung des Kalkgehaltes tropfen wir auf eine kleine Menge Erde, die wir in eine Porzellanschale gegeben haben, wenige Tropfen zehnprozentige Salzsäure (aus der Apotheke). Schutzbrille und Handschuhe schützen uns davor, dass wir uns mit der Salzsäure verätzen. Wenn hörbare oder sichtbare Bläschen entstehen, dann enthält der Boden Kalk.
[...] Kalkhaltige Böden sind immer alkalisch.
Klar kann man auch ein Bodengutachten in Auftrag geben oder die Analyse an ein Labor schicken, aber die wollen teilweise richtig ordentlich Geld dafür haben...
Dann die Lichtausbeute am Standort, über die wir hier auch hinlänglich oft schon gesprochen haben.
Noch sind deine Bäume klein, aber je nachdem wie groß sie später werden bzw. wie eng oder weit auseinander sie gepflanzt sind, ist es mit dem hellen Standort schnell vorbei.
Und Frau Aufderheide schreibt hierzu:
Zitat
Wiesen und Weiden sind Pflanzengemeinschaften der offenen und halboffenen Landschaften. [...]
Eine Fläche, auf der ein Rasen oder eine Wiese angelegt werden soll, muss mindestens halbschattig sein, d.h. 60 Prozent der Lichtausbeute einer vollbesonnten Fläche bekommen. Dabei ist es günstiger, wenn Morgensonne auf die Fläche fällt, als wenn der Lichtanteil abends einfällt. Morgens ist die Fotosynthese-Aktivität der Pflanzen größer als am Abend.
Auch das sollte also bedacht werden. Denn es gibt zwar schattenverträgliche Gräser, aber die vertragen wieder keine häufige Mahd... (siehe dazu auch Punkt 4 - Nutzung)
3.) die Regionalität.
Wenn schon eine Blumenwiese, dann empfehle ich immer eine für die Region typische auszuwählen.
Das ist nämlich auch ein Mangel der fertigen "Blumenwiesenmischungen": hierin sind entweder so genannte "Allerweltsarten" enthalten oder solche, die niemals in der Region freiwillig wachsen würden - es sei denn, der Mensch pflanzt sie an.
Woher bekomme ich denn nun regionales Saatgut?
Eine von mir geschätzte Seite (weil aufschlussreich, wissenschaftlich fundiert und mit Kontaktdaten bzgl. Rücksprachen, also für beratende Zwecke versehen) ist
Saaten Zeller.
(Ich weiß allerdings nicht, wie es mit "Kleinmengen" aussieht bzw. wie viel ihr tatsächlich brauchen werdet und ob das "Kleinmengen" sind )
Mit "wissenschaftlich fundiert" meine ich hier, dass sich da Biologen und Pflanzenexperten zusammengesetzt haben und für die einzelnen Regionen Deutschlands die jeweiligen Mischungen zusammengestellt haben. Es gibt tatsächlich regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Habitaten: eine Fettwiese in Baden-Württemberg ist in ihrer Artenzusammensetzung nicht 1:1 auf eine Fettwiese in Mecklenburg-Vorpommern zu übertragen usw.
Heißt bei dir: dein "Herkunftsgebiet" ist die Region um Ingolstadt herum, hier
UG14- Fränkische Alp genannt.
Darunter listen sie dir die Mischungen in einer Tabelle auf. In der Spalte ganz rechts (genannt "Inhalt -> Analyse") kannst du die Zusammensetzung der jeweiligen Mischung einsehen. Da dürfte dir sofort auffallen, das z.B. in der "Grundmischung" schon 70% Gräser enthalten sind und nur 30% Kräuter! Also ganz anders als die handelsüblichen "Blumenwiesenmischungen".
Scrollst du auf der Seite noch etwas runter, dann wird in einer zweiten Tabelle erklärt, was sich hinter den Bezeichnungen "Grundmischung", "Fettwiese" oder "Böschung" verbirgt. Die "Grundmischung" ist also eine "Frischwiese für Standorte ohne extreme Ausprägung. Auch geeignet zur Anlage von Streuobstwiesen."
Und das Gute ist eben, dass du für fachliche Fragen einen Ansprechpartner hast, dem du im Zweifel deinen Standort beschreiben kannst mit all seinen Problemchen und Eigenheiten und der dir dann für deinen Standort eine passende Mischung empfehlen kann. Der kennt sich dann mit deiner Region aus und hat insofern mir und Jutta eines voraus:
Wir kennen deinen Standort nur aus deinen Infos und können dir nur so relativ vage Pflanzen oder Dinge, die zu tun sind, empfehlen. Jmd. der die Region kennt, weiß u.U. welche Schwierigkeiten möglicherweise auch noch auftreten können, an die wir bisher nicht gedacht haben. Und im Zweifel dir eben auch von einer Mischung abraten, weil er genau weiß, dass die unter deinen Voraussetzungen einfach nicht gedeihen wird.
Bevor du jetzt aber gleich in Siegestaumel ausbrichst, gibt es ja noch einen vierten Punkt zu beachten:
4.) die Nutzung.
Und ich denke, die wird dein Galamann auch im Blick gehabt haben, als er dir von deiner Blumenwiese abgeraten hat...
Die Art der Nutzung ist mindestens genauso wichtig wie die Bodenzusammensetzung, denn sie wirkt sich direkt auf dein Blumenwiesen-Projekt aus. Sie hat direkten Einfluss auf deine Artenzusammensetzung und dementsprechend auch auf die Regionalität des Saatguts.
Der von dir gewünschte Standort für deine Wiese ist eine Streuobstwiese (verdammte Dopplung des Namens... ). Du pflanzt junge Bäume mit einem Stammumfang von 8/10cm (wenn ich das richtig in Erinnerung habe...), sprich es sind junge Bäume, die du erst noch zu Obstbäumen erziehen musst. Also Obstbaumschnitt. Später dann, wenn die Bäume dann schon etwas größer sind, brauchst du wohl schon eine Leiter, um an die Krone ranzukommen und Schnittmaßnahmen durchführen zu können. Die Leiter schleppst du wohl kaum bis zu deiner Streuobstwiese bzw. brauchst du ja auch ein Wägelchen oder so was, um das Schnittmaterial abtransportieren zu können.
Klar, läufst du nicht ständig auf deiner Streuobstwiese herum, aber in mancherlei Hinsicht schon.
Und das mögen Wiesen nicht. Eine Wiese ist nicht trittfest oder nur wenig trittverträglich.
Dann das Mähen.
Eine Wiese wird extensiv gepflegt, das heißt, sie wird nur ein bis zweimal im Jahr gemäht. Viele von den Blümchen auf so einer Wiese vertragen keine häufigere Mahd, können sich nicht aussäen etc. und verschwinden dann einfach. Auch schattenverträgliche Pflanzen bezahlen ihre spezifische Anpassung mit einer weniger vorhandenen Schnittverträglichkeit...
Außerdem stell ich mir das nicht gerade vorteilhaft vor, wenn gerade Obstzeit ist und man muss die Äpfel und Birnen zwischen den hohen Gräsern und Blumen suchen... immerhin heißt dein Obstbaumhain ja
Streuobstwiese von "streuen"...
Und hier kommt der Kräuterrasen ins Spiel, den dein Galamann empfohlen hat! Den kannst du nämlich häufiger als die erwähnten ein bis zweimal im Jahr mähen. Der
Kräuterrasen, den Saaten Zeller anbietet, verträgt Mahden (tatsächlich der Plural von "die Mahd" ) von bis zu 8 Schnitten im Jahr. In der Mischung sind 83% Gräser und 17% Kräuter enthalten. Bei den Gräsern sind es insbesondere die tritt- und schnittverträglichen wie Weidelgras und Wiesenrispe sowie verschiedene Schwingel.
So, ich hoffe, liebe Perse, ich habe dich nach diesen ausschweifenden Ausführungen nicht zu sehr desillusioniert, aber vllt verstehst du nun, dass selbst das bloße Aussäen einer Blumenwiese eine Wissenschaft für sich ist - will man sie richtig machen!
Ich verstehe deinen Ansatz mit der Insektenfreundlichkeit (da achte ich ja auch drauf), aber vllt wäre es eine Option beim Thema Kräuterrasen/ Blumenwiese ein paar Abstriche zu machen und einen etwas weniger blumigen Kräuterrasen (der es euch bezogen auf Nutzung und Pflege einfacher macht) zu säen und die Insektenblumen dann eher im Gartenbereich zu pflanzen.
Ggf. wandern später dann im Laufe der Zeit noch einige andere Blumen auf deinen Kräuterrasen hinzu und vertragen Standort und Schnitt auch, ohne die Zusammensetzung des Kräuterrasens zu stören bzw. dort vorhandene Arten zu verdrängen.
Ach so, und ich bin ganz bei Juttas Ratschlag eine freie Baumscheibe zu lassen, die nicht begrünt wird!
Das sieht vllt im ersten Moment doof aus, wenn es da so kahl ist, hat aber einen wichtigen Hintergedanken. Irgendwer hier im Forum hat mal geschrieben, dass das Gras das Leichentuch der jungen Bäume sei... ich weiß nur nicht mehr so genau, ob das Plantsman (Stefan) oder dnalor (Roland) war...
Deine Bäume sind ja noch klein, dass Gräser und Kräuter aus deiner Wiesen- oder Rasenmischung mit ihnen in Konkurrenz stehen würden; sie also nicht genug Wasser und Nährstoffe bekommen würden.
Außerdem bleibt der Stammansatz bzw. Wurzelanlauf sichtbar und es können daraus später Rückschlüsse bei Krankheitssymptomen oder Mangelerscheinungen geschlossen werden.
Das nun zum Thema "Wiese" und "Kräuterrasen".
Zitat geschrieben von Perse
Zitat geschrieben von GinkgoWolf
"Sie könnte auch aus Plastik sein, das käme wohl auf's selbe hinaus..." - für Bienen ist Forsythie leider komplett unbrauchbar.
Das hab ich so schon mal von Geranien gehört. Dass die einfach nur hübsch im Balkonkasten anzusehen sind aber sonst keinerlei nutzen haben.
Im Bezug auf die Forsythie war mir das allerdings neu. Ich dachte immer dass das ein wertvoller Strauch für die Insekten sei da er ja als einer der ersten im Frühjahr blüht.
Ja, so ähnlich habe ich in Bezug auf manch andere Pflanze auch gestaunt, z.B. bei Flieder (Syringa) und bei Alpen-Johannisbeere (Ribes alpinum 'Schmidt')... auch beides keine Bienenweiden... da wurde ich desillusioniert.
Flieder hat bitteren Nektar durch bestimmte Inhaltsstoffe, weswegen die Bienen ihn verschmähen. Manchmal sieht man auch Hummeln, die kurz probieren, dann aber schnell wegfliegen als wäre der Teufel hinter ihnen her...
Die Ribes alpinum 'Schmidt', die vielfach im öffentlichen Grün gepflanzt wird, ist auch keine Bienenweide (dachte ich bisher immer) - zumindest nicht in dem Sinne - denn sie ist rein männlich, produziert also nur Pollen und damit keinen Nektar.
Forsythie wie gesagt ist für Bienen auch "tot", denn sie hat auch weder Pollen noch Nektar für die Bienen.
Und es gibt noch viel mehr solche "toten" Pflanzen... eine sehr nützliche Seite dazu ist diese hier: [url=https://www.immengarten-jaesch.de/Schwarze_Liste_der_NichtBienenpflanzen.html]>> Schwarze Liste der Nicht Bienenpflanzen