Hallo Dirk,
Schneiden und "Verschneiden" sind beim Wein zwei verschiedene Dinge.
Geschnitten (mit der
Gartenschere) werden die Reben (Weinpflanze) erst nach dem Laubfall. Die Profis (Winzer) warten sogar bis zum Spätwinter oder Vorfrühling, da sich erst dann zuverlässig erkennen läßt, ob die verholzten Teile der Pfanze gesund und ohne Schaden durch die Frostperiode gekommen sind.
In den ersten zwei bis drei Jahren wird durch den Schnitt vor allem die Form und Größe des Stockes bestimmt.
Bei ganz jungen Pflanzen, die meist nur einen einzigen Trieb haben, ist das Ziel, diesen Trieb im ersten Jahr möglichst lange und gerade (auch ohne Verzweigungen) wachsen zu lassen. Aus ihm soll später der Stamm der Pflanze werden. Je nach der Höhe, die die Pflanze haben soll, werden deshalb alle jungen (grünen) Seitentriebe zwischen den Boden und der vorgesehenen späteren Endhöhe des Stammes entfernt.
Wenn Seitenzweige des Haupttriebes bereits verholzt sind, genügt es, wenn man von diese alle Blätter und grünen Zweige mit der Hand entfernt. Man kann diese holzigen Seitentriebe zwar auch noch während der Wachstumszeit mit der
Gartenschere abschneide - das führt aber zu dem unerwünschten "Bluten", also zu einem Saftverlust.
Wenn der Rebstock etwa 1/4 der endgültigen Größe erreicht hat (2 bis 3 Jahre) steht beim Schnitt dann der Ertrag von möglichst gesunden und reifen Früchten im Vordergrund. Dann ist es wichtig nicht zu viel Holzteile stehen zu lassen. Ein Stamm und vier bis fünf lange Seitenäste (Ruten) sind genug. Die Pfanze wird - wenn sie gute Wachstrumsbedingungen hat - während der Vegatationsperiode etwa das zwanzigfache bis dreißigfache dessen an Trieben entwicklen, was man an Holz stehen lässt. Die Triebe werden drei bis fünf Meter lang und verzeigen sich aus den Blattachseln erneut, so dass sich ein richtiger Dschungel entwickeln kann.
Durch ein zu dichtes Blattwerk entsteht ein ungünstiges, feuchtes Miroklima, das Blattkrankeiten fördert (Oidium, Pernospora ua). Außerdem reifen die Früchte schlecht.
Deshalb sollten vor allem bei älteren Pflanzen während der gesamten Wachstumszeit (bis September) regelmäig die sich neu entwickelnden Seitentriebe (Geiztriebe) entfernt werden (wie z.B. auch bei Tomaten). Diese sind ohnedies meist unfruchtbar.
Früchte tragen nur die einjährigen Haupttriebe, die unmittelbar aus dem Holz des Vorjahres wachsen. Triebe, die aus mehrjährigem Holz (also z.B. aus dem Stamm) kommen, tragen keine Früchte - sie können aber die Basis für die Früchte des nächsten Jahres sein, da aus ihnen im nächsten Jahr dann fruchtbare Triebe wachsen.
Auch die o.g. einjährigen Haupttriebe können immer nur eine begrenzte Zahl von Fruchtansätzen entwickeln. Am fruchtbarsten sind die ersten acht bis zehn Ansätze (Knoten). Wenn der Trieb länger wächst, wird er im Herbst um so weniger Früchte tragen.
Deshalb ist es für eine gute Ernte wichtig, nicht nur die Geiztriebe und die unfruchtbaren Triebe aus dem Stammholz entfernen oder einkürzen, sondern auch die fruchtbaren Triebe an einem endlosen Wachstum hindern.
Für diese Arbeit an den grünen Trieben braucht man keine
Schere. Die Triebe kann man mit der Hand an den Koten oder an den Ansatzstellen ganz leicht abbrechen. Die Wunden heilen schnell und es geht der Pflanze nur wenig Safte verloren.
Man sollte aber darauf achten, dass die grünen Teile nicht den Boden berühren oder möglichst immer mindestens fünftig Zentimeter oder mehr vom Boden entfernt sind. Dieser "Sicherheitsabstand" hilft etwas, die Übertragung von Krankeiten und Schädlingen zu erschweren, die - je nach Lage - ein ernstes Problem werden können.
Das "Bluten" der Reben geschieht also nur, wenn holzige Teile der Rebe erst nach dem Beginn der Vegetationsperode geschnitten werden. Der Schnitt mit der
Gartenschere sollte deshalb - wie oben schon dargestellt - vor dem Austrieb (ca März/April) abgeschlossen sein.
Auch wenn man diesen Termin verpasst hat, ist es bei einem kräftig entwicklelten Rebstock aber immer noch besser den Saftverlust durch das "Bluten" in Kauf zu nehmen, als völlig auf den Schnitt zu verzichten. Man kann sich dann auf einige wenige Schnitte zu beschränken und den Rest durch stärke Reduzierung der jungen Triebe während der Sommermonate auszugleichen.
Für diese Bearbeitung der jungen, grünen Triebe in den Sommermonate gibt es verschiedene Bezeichnungen z.B. "Laubarbeit, Ausgeizen, Ausbrechen". Mit dem eigentlichen Schnitt haben diese aber nichts zu tun.
Bei ganz jungen Pflanzen, die besonders empfindlich sind, weil sie of nur aus einem einzigen Trieb bestehen, können überflüssige Holzteile durch regelmäßiges Ausgeizen der sich aus ihnen entwickelnden jungen Triebe an der Weiterentwicklung gehindert werden. Die Holzteile selbst können dann in der nächsten Winterruhe (nach dem Blattfall) ohne Saftverlust für die Pflanze abgeschnitten werden.
Zwar werden gesunde Jungpflanzen, die in einem genügend feuchten Boden gut eingewurzelt sind, auch einen verspäteten Schnitt noch gut überstehen. [Blutenden Wunden können mit etwas Baumwachs mit einer Art Verband versehen werden.] Diese etwas rabiate Methode sollte man aber nur dann wählen, wenn eine regelmäßige Entfernung nachwachsender frischer Triebe an den unerwünschten Holzteilen durch Laubarbeit nicht möglich ist.
"Verschneiden" ist die Mischung verschiedener Weine, um damit eine gleichmäßigere Qualität für den Verbraucher zu erreichen. Ähnlich wie beim Tee oder Tabak können auf diese Weise die bei Naturprodukten unvermeidlichen jährlichen Qualitäts- und Ertragsschwankungen ausgeglichen werden. Mit dem Weinstock, hat dies nichts mehr zu tun. Dieser wird "beschnitten" oder "geschnitten", wie Obstgehölze auch.
Weinreben bedeuten relativ viel Arbeit, wenn man gesunde Trauben ernten möchte (die dann bei Wespen und Vögeln sehr begehrt sind).
Ein paar Beeren zum Probieren bleiben am Ende meist auch dann, wenn man mit dem zufrieden ist, was die Natur übrig lässt. Wie auch immer - Guten Erfolg
Waldemar Raab