In den nebelverhangenen Wäldern Sri Lankas, wo die Zeit stillzustehen scheint, haben Wissenschaftler eine botanische Sensation aufgespürt: die Orchidee Vanda thwaitesii, eine Art, die seit über 160 Jahren als ausgestorben galt. Wie ein Geist aus der Vergangenheit tauchte die zarte Pflanze wieder auf – und das alles dank einer alten Zeichnung und der aufmerksamen Beobachtung eines Pflanzenliebhabers. Dies ist die unglaubliche Geschichte einer botanischen Wiederauferstehung.
Seit ihrer ersten und einzigen Beschreibung im Jahr 1898 durch den berühmten britischen Botaniker Joseph Dalton Hooker war die Vanda thwaitesii ein Phantom. Hooker selbst hatte die Pflanze nie lebend gesehen; seine gesamte Beschreibung basierte auf zwei detaillierten Zeichnungen des sri-lankischen Zeichners Haramanis de Alwis. Da nie ein Exemplar für ein Herbarium gesammelt wurde, verschwand die Orchidee in den Annalen der Botanik und wurde schließlich für ausgestorben erklärt. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Die Wende kam durch einen glücklichen Zufall und die Macht der sozialen Medien. Ein Pflanzenenthusiast namens Pradeep Kodithuwakku fand vor einigen Jahren in der Nähe eines Baches in der Region Rangala eine ihm unbekannte Orchidee. Er nahm sie mit nach Hause und pflegte sie. Als sie 2021 endlich blühte, postete er ein Foto in einer Facebook-Gruppe für die Identifizierung von Medizinalpflanzen. Dort wurde der junge Wissenschaftler Bhathiya Gopallawa von der University of Peradeniya auf das Bild aufmerksam. Ihm fiel die verblüffende Ähnlichkeit mit den 160 Jahre alten Zeichnungen der verschollenen Vanda thwaitesii auf.
Zusammen mit dem Feldbotaniker Himesh Jayasinghe machte er sich auf den Weg, um die Pflanze zu begutachten. Der Abgleich war eine Sensation: Es handelte sich tatsächlich um die totgeglaubte Orchidee! Die Freude über den Fund war jedoch getrübt von der Sorge um die Sicherheit der Pflanze. Die Veröffentlichung seltener Pflanzenfunde im Internet lockt oft illegale Sammler an. Um die kostbare Orchidee zu schützen, wurde sie umgehend in die sichere Obhut der berühmten Royal Botanic Gardens in Peradeniya gebracht, wo nun versucht wird, sie zu vermehren.
Die Wiederentdeckung der Vanda thwaitesii ist mehr als nur eine botanische Kuriosität. Sie ist ein leuchtendes Beispiel für die Bedeutung von „Citizen Science“, der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und engagierten Laien. Sie zeigt auch, wie wichtig historische Archive und Zeichnungen für die heutige Forschung sind. Und sie macht Hoffnung, dass in den unberührten Winkeln unserer Erde noch weitere verschollene Schätze auf ihre Wiederentdeckung warten.
Wissenschaftliche Besonderheiten:
- Vanda thwaitesii: Eine epiphytische Orchideenart, die auf Bäumen wächst und seit 160 Jahren als verschollen galt.
- Historische Identifikation: Die Art wurde ausschließlich anhand von zwei botanischen Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert identifiziert.
- Citizen Science: Die Wiederentdeckung wurde durch die aufmerksame Beobachtung eines Laien und eine Facebook-Gruppe ermöglicht.
- Epiphytische Lebensweise: Die Orchidee ist auf eine symbiotische Beziehung mit bestimmten Pilzen auf der Rinde ihrer Wirtsbäume angewiesen.
- Gefährdung: Die größte Bedrohung für solche seltenen Arten sind illegale Sammler und der Verlust ihres Lebensraums.
- Ex-situ-Erhaltung: Um die Art vor dem Aussterben zu bewahren, wurde das einzige bekannte Exemplar in einen botanischen Garten gebracht.
Kurioses & Spannendes zum Thema:
- Der Name Vanda thwaitesii ehrt George Thwaites, einen ehemaligen Leiter des Botanischen Gartens von Peradeniya im 19. Jahrhundert.
- Botanische Zeichner wie Haramanis de Alwis waren früher für die Wissenschaft von unschätzbarem Wert, da die Fotografie noch nicht etabliert war. Ihre präzisen Zeichnungen sind heute oft die einzigen Belege für ausgestorbene Arten.
- Viele Orchideenarten sind auf einen einzigen Bestäuber, wie eine bestimmte Insektenart, spezialisiert. Stirbt der Bestäuber aus, ist auch die Orchidee vom Aussterben bedroht.
- Wussten Sie, dass der Handel mit wild gesammelten Orchideen durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) streng reguliert ist? Trotzdem floriert der Schwarzmarkt.
Zusammenfassung:
Nach 160 Jahren wurde die als ausgestorben geltende Orchidee Vanda thwaitesii in Sri Lanka wiederentdeckt. Der spektakuläre Fund gelang durch die Kombination aus historischer Detektivarbeit mit 160 Jahre alten botanischen Zeichnungen und moderner „Citizen Science“ über soziale Medien. Ein Pflanzenliebhaber hatte die seltene Orchidee gefunden und ein Foto online geteilt, woraufhin Wissenschaftler die Sensation erkannten. Um die Pflanze vor illegalen Sammlern zu schützen, wird sie nun in einem botanischen Garten kultiviert. Die Geschichte ist ein Hoffnungsschimmer für den Artenschutz und unterstreicht die wichtige Rolle von engagierten Bürgern in der Wissenschaft.
Namen und Quellen:
Mongabay News, 28. August 2025
Entdecker: Bhathiya Gopallawa, Himesh Jayasinghe, Pradeep Kodithuwakku
Fachbegriffe erklärt:
Epiphytisch: Bezeichnet Pflanzen, die auf anderen Pflanzen (meist Bäumen) wachsen, ohne diese zu parasitieren.
Herbarium: Eine Sammlung getrockneter und gepresster Pflanzen oder Pflanzenteile für wissenschaftliche Zwecke.
Citizen Science: (Bürgerwissenschaft) bezeichnet die Beteiligung von wissenschaftlichen Laien an Forschungsprojekten.
Ex-situ-Erhaltung: Die Erhaltung von Arten außerhalb ihres natürlichen Lebensraums, zum Beispiel in botanischen Gärten oder Samenbanken.