Pflanzen sind wahre Alchemisten der Natur. Sie produzieren eine beeindruckende Vielfalt an chemischen Substanzen, um sich gegen Fressfeinde und Krankheiten zu schützen. Unter diesen Substanzen befinden sich auch viele, die für die menschliche Gesundheit bedeutsam sind. Besonders faszinierend sind dabei die Withanolide, eine Gruppe von Steroiden, die in vielen Pflanzen der Nachtschattengewächse vorkommen und eine Vielzahl gesundheitlicher Vorteile bieten. Doch wie genau entstehen diese wertvollen Verbindungen, und welche Rolle spielen epigenetische Mechanismen dabei? Eine neue Studie gewährt spannende Einblicke.
Die Wissenschaft hinter den Withanoliden: Einblicke in die Biochemie
Withanolide sind eine vielfältige Gruppe von Steroiden mit weitreichenden therapeutischen Eigenschaften. Sie besitzen entzündungshemmende, antitumorale und neuroprotektive Wirkungen und werden daher intensiv erforscht. Das Wissen um ihre Biosynthese ist allerdings noch lückenhaft. Ein Forscherteam unter der Leitung von Professor Claude Becker von der LMU München hat nun bedeutende Fortschritte in dieser Hinsicht gemacht. Sie entdeckten in der Andenbeere (Physalis grisea) ein Gencluster, das für die Produktion von Withanoliden verantwortlich ist.
„In solchen Genclustern sind die Gene, die für die jeweiligen Enzyme kodieren, dicht beieinander angeordnet, sodass sie effektiv koordiniert und vererbt werden können“, erklärt Becker. Diese Cluster-Anordnung vereinfacht die Regulation des gesamten Syntheseweges.
Das Team stellte fest, dass dieses Gencluster im Laufe der Evolution dupliziert wurde. Nun bestehen zwei funktionell getrennte Domänen: eine in der Wurzel und eine in den oberirdischen Geweben der Pflanze. „Überraschenderweise wird diese Trennung und Organisation durch epigenetische Mechanismen gesteuert“, so Becker weiter. Dies bedeutet, dass chemische Modifikationen der DNA-Struktur die Aktivität der jeweiligen Gencluster regulieren, wodurch die Pflanze in verschiedenen Geweben unterschiedliche chemische Abwehrstoffe produziert.
Diese epigenetische Regulation ermöglicht es der Pflanze, sich flexibel an verschiedene Umweltbedingungen anzupassen und maximalen Schutz gegen Fressfeinde zu bieten. Die Forscher konnten außerdem zeigen, dass dieses Gencluster in vielen Nachtschattengewächsen konserviert ist, obwohl es in manchen Gattungen wie Tomaten und Kartoffeln fehlt.
Gesundheitliche Vorteile von Withanoliden
Withanolide bieten eine bemerkenswerte Bandbreite an gesundheitlichen Vorteilen und sind aufgrund ihrer vielfältigen Wirkungsweisen in der Medizin hoch geschätzt. Hier sind einige der wichtigsten gesundheitlichen Vorteile im Detail:
- Entzündungshemmende Wirkung: Withanolide besitzen starke entzündungshemmende Eigenschaften. Sie hemmen die Produktion von proinflammatorischen Molekülen wie Zytokinen und reduzieren somit entzündliche Prozesse im Körper. Dies macht sie zu potenziellen Kandidaten für die Behandlung von entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis oder entzündlichen Darmerkrankungen.
- Antitumorale Eigenschaften: Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Withanolide das Wachstum von Krebszellen hemmen können. Sie wirken auf unterschiedliche Weisen, indem sie den Zellzyklus unterbrechen, die Apoptose (programmierter Zelltod) fördern und die Angiogenese (Bildung neuer Blutgefäße) hemmen, was das Tumorwachstum einschränkt. Diese Eigenschaften machen sie zu potenziellen Therapeutika gegen verschiedene Krebsarten.
- Neuroprotektive Effekte: Withanolide haben neuroprotektive Eigenschaften, die das Gehirn vor degenerativen Erkrankungen schützen können. Sie fördern das Überleben von Nervenzellen und haben das Potenzial, neuroinflammatorische Zustände zu lindern. Dies kann bei Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson von Bedeutung sein.
- Immunsystemstärkung: Withanolide stärken das Immunsystem, indem sie die Aktivität von Immunzellen wie T-Zellen und Makrophagen fördern. Ein gesundes Immunsystem ist essenziell für die Abwehr von Infektionen und Krankheiten.
- Stressabbau und Adaptogene Wirkungen: Einige Withanolide, insbesondere aus der Ashwagandha-Pflanze (Withania somnifera), wirken als Adaptogene. Das bedeutet, sie helfen dem Körper, besser mit Stress umzugehen, indem sie die Stresshormonproduktion regulieren. Sie können den Cortisolspiegel senken und somit stressbedingte Symptome wie Angst und Erschöpfung lindern.
- Antimikrobielle Aktivität: Withanolide zeigen auch antimikrobielle Eigenschaften gegen eine Vielzahl von Krankheitserregern, einschließlich Bakterien, Viren und Pilzen. Dies macht sie zu potenziellen natürlichen Alternativen zu herkömmlichen Antibiotika und Antimykotika.
- Kardiovaskuläre Gesundheit: Einige Studien deuten darauf hin, dass Withanolide positive Auswirkungen auf die Herzgesundheit haben können, indem sie die Cholesterinwerte senken und die Funktion der Blutgefäße verbessern.
Diese gesundheitlichen Vorteile machen Withanolide zu einem wertvollen Forschungsobjekt in der modernen Medizin und bieten Perspektiven für die Entwicklung neuer Therapien.
Zusammenfassung
Die neueste Forschung zeigt, dass die Produktion von Withanoliden, wichtigen medizinischen Steroiden in Nachtschattengewächsen, durch epigenetische Mechanismen reguliert wird. Diese Entdeckung könnte nicht nur zur Entwicklung neuer Pestizide führen, sondern auch zur Herstellung neuartiger Medikamente beitragen.
Quelle
Autoren: Professor Claude Becker und sein Forschungsteam
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2420164122
Erklärung der Fachbegriffe
- Withanolide: Eine Gruppe von Steroiden, die in vielen Pflanzen der Nachtschattengewächse vorkommen und eine Vielzahl von gesundheitlichen Vorteilen haben.
- Gencluster: Eine Gruppe von benachbarten Genen, die zusammen für ein bestimmtes biochemisches Produkt verantwortlich sind.
- Epigenetische Mechanismen: Veränderungen der Genaktivität ohne Veränderung der DNA-Sequenz, oft durch chemische Modifikationen der DNA oder der mit DNA assoziierten Proteine.