Laciniata-Bäume

 
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Dieter Hermann

Hallo allerseits,

manchmal traut man wirklich seinen Augen nicht: Auf einer Reise in die Tschechei habe ich im vorigen Monat in einem parkähnlichen Gelände mit altem Baumbestand eine Rot-Buche entdeckt, die zu meiner Überraschung Blätter mit gelappten oder gebuchteten Rändern trug. Bei der Suche nach weiteren Exemplaren dieser Art fand ich in einigen hundert Meter Entfernung eine Grau-Erle, ebenfalls mit solchen Blattformen (s. Fotos). Alle übrigen Bäume, die ich mir auf einer Wanderung durch den Böhmerwald genau angesehen habe, hatten kein auffälliges Aussehen.

Inzwischen habe ich herausbekommen, dass es sich hierbei um kultivierte Baumformen handelt, die den Zunamen 'Laciniata' tragen.

Weiß jemand von Euch, ob die Vermehrung solcher Bäume nur auf künstlichem Wege vegetativ oder auch generativ über Samen möglich ist. Leider habe ich es versäumt, einige von den normal aussehenden Bucheckern mitzunehmen, um das selber auszuprobieren. Wenn Letzteres nämlich zuträfe, taucht die Frage auf, warum diese Baumformen nur in Einzelexemplaren auftreten. Sind sie gegenüber ihren Artgenossen durch die besondere Blattform benachteiligt?

Viele Grüße D.H.
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Hortus 1

Hallo,
die als Sorten geführten geschlitzblättrigen Exemplare von verschiedenen Laubgehölzen sind als Sports / Mutationen entstanden. Ich kenne solche Pflanzen bei Roßkastanie, Haselnuss, Erle und Buche. Sicher gibt solche Exemplare auch bei anderen Arten. Diese Mutationen treten i.d.R. als Knospenmutationen an einzelnen Astpartien normaler Bäumen / Sträuchern auf. Welches die Ursachen bzw. Auslöser für diese Veränderungen sind, dürften sicher von Fall zu Fall verschieden sein.
Bei einigen dieser Abänderungen fand man ein viröses Agenz als Auslöser. In einer Arbeit aus dem Jahre 1955 heißt es, daß bei solchen Pflanzen keine Chromosomen- bzw. Gen-Mutationen festzustellen seien. Ob es zwischenzeitlich andere Auffassungen gibt, kann ich nicht sagen.
http://resources.metapress.com…ze=largest
Um solche Sports am Leben zu erhalten, ist die Pfropfung üblich, ähnlich wie es auch bei den sogenannten Hexenbesen verschiedener Nadelgehölze gehandhabt wird.
Eigene Bemühungen , Coryllus avellanna ´Laciniata´ über Saatgut zu vermehren, brachten stets normalblättrige Pflanzen hervor (so wie auch bei der Korkenzieher-Hasel).
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biber54

Moin,

die Chance, aus Samen weitere Laciniata-Bäume zu erhalten, dürfte recht gering sein, auch wenn bei Fagus immer wieder spontane Mutationen vorkommen und man so unter vielen Sämlingen auch immer mal wieder einzelne rotlaubige Pflanzen findet. In unserem Garten steht eine über 50 Jahre alte Laciniata, unter der auch immer wieder kleine Buchen keimen, doch eine schlitzblättrige habe ich noch nie entdeckt. Dafür bringt der Baum öfter auch mal Zweige mit normalen Blättern hervor (mitten in der Krone, nicht etwa von unterhalb der Veredlung), die ich dann herausschneide.

Gruß
Günter
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Dieter Hermann

Besten Dank für Eure Auskünfte. Jetzt kann ich mir auch erklären, warum mein Vermehrungsversuch eines Farnblättrigen Faulbaums aus Samen, den ich am Rand eines Seerieds zwischen zahlreichen normalblättrigen Faulbaumbüschen entdeckt habe, mißlungen ist.
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Dieter Hermann

Nach meinen neuerlichen Erkundigungen handelt es sich bei den Laciniata-Bäumen wohl doch um einen Gendefekt, der auch weitervererbt wird, wahrscheinlich durch ein rezessives Allel. Zum Beweis müßte man dazu zwei davon betroffene Pflanzen kreuzen und als Ergebnis in 25 % der Fälle schlitzblättrige Nachkommen erhalten. Sollten tatsächlich auf generativem Wege keine Laciniata-Bäume zu erhalten sein, so drängt sich einem die gewagte Hypothese auf, dass die Pflanzen in der Lage sind, zum Ausschluß von Laciniata-Individuen eine genetische PräimplantationsdiagnostiK (PID) vorzunehmen, die z.Zt. im menschlichen Bereich zu Recht heftig und kontrovers diskutiert wird. Das halte ich allerdings für recht unwahrscheinlich.
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Plantsman

Moin,

es scheint aber speziell bei Fagus sylvatica ´Laciniata´ samenecht fallende Individuen zu geben. Eine ausgewachsenen Pflanze im parkartigen Garten eines Kunden hat unter ihrer Krone zu 99% echte Laciniata-Sämlinge....... und davon fast rasenartig! Da variieren dann eher der Grad der Schlitzung und die Wuchsstärke, aber ansonsten "der Apfel fällt nicht weit vom Stamm" .
Im Plantfinder der RHS spricht man auch von Fagus sylvatica var. heterophylla fma. laciniata als Naturform und nicht als Sorte. Das bedeutet das es ein theoretisch generativ vermehrbarer Typ ist. Daraus kann man dann Sorten wie z.B. F. sylvatica var. heterophylla fma. laciniata ´Asplenifolia´ auslesen, die nur durch Veredlung vermehrt werden können.
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Dieter Hermann

Grüß' Dich, Stefan,

der von Dir geschilderte Fall eines Fagus sylvatica ´Laciniata´, dessen Nachkommen alle (oder fast alle) schlitzblättrig waren, zeigt, dass diese Eigenschaft der Blattform genetisch verankert und daher vererbbar ist. Darüber hinaus geht daraus hervor, dass Schlitzbättrigkeit reinerbig und dominant auftreten kann, weil anzunehmen ist, dass die Befruchtung besagten Baumes durch Pollen von "normalblättrigen" Buchen erfolgte. Diese Tatsache ist mir neu. Dass man dennoch diese Art der Bäume nur äußerst selten in freie Natur antrifft, mag wohl daran liegen, dass sie wegen ihrer geringeren Blattoberfläche gegenüber ihren Artgenossen beim natürlichen Ausleseprozeß benachteiligt sind.

Für die Erweiterung meines Erkenntnishorizontes, übrigens auch für den Hinweis auf den sehr umfang- und hilfreichen "Plantfinder RHS" herzlichen Dank und Gruß!

Dieter Hermann

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