Heilpflanzen im Mittelalter – Folge VI

Autor: Redaktion Magazin   
Veröffentlicht: 12.05.2012 - 17:17 Uhr
 


Mönche, Klöster und Klostergärten

Die Bezeichnung „Mittelalter“ ist eigentlich eine moderne Wortschöpfung und umfasst eine große Zeitspanne vom sechsten bis zum 15. Jahrhundert. Gerne wird das Mittelalter mit dem Begriff „finster“ beschrieben oder man denkt dank Hollywood verklärt an edle Ritter, Kreuzzüge, wehrhafte Burganlagen mit zarten Burgfräulein und prächtige romanische und gotische Kathedralen. Doch weder das eine noch das andere entspricht den tatsächlichen Gegebenheiten dieser abwechslungsreichen Geschichtsepoche.

Die Entstehung der Klostermedizin

Sehr rasch nach der Christianisierung Europas im fünften und sechsten Jahrhundert entstanden überall Mönchs- und Nonnenklöster. In ihnen wurde das aus der Antike bekannte Heilwissen bewahrt und weiterentwickelt. Die Mönche und Nonnen, die sich mit der Heilkunde beschäftigten, übernahmen die Vier-Säfte-Lehre des Galenos (siehe Pflanzenmagazin Ausgabe 7/ 2011).
Zur Entstehung der Klostermedizin trugen zwei Faktoren bei: Einerseits kam es durch die Völkerwanderungen zu großen Veränderungen im gesamten europäischen Raum, andererseits entvölkerten Seuchenwellen, wie die Justinianischen Pestwellen zwischen 543 bis 700 nach Christus, ganze Landstriche. Das weströmische Reich ging unter, die Versorgungssysteme brachen zusammen. Nur noch die wenigsten Menschen konnten lesen oder schreiben und das medizinische Wissen ging fast vollständig verloren. Den kundigen Mönchen und Nonnen oblag nun vollkommen die medizinische Fürsorge.

Das „Lorscher Arzneibuch“

Am Ende des achten Jahrhunderts entstand das älteste, erhaltene Arzneibuch im Kloster Lorsch bei Worms, genannt Codex Bambergensis medicinalis 1, mit ausführlichen Rezepten zur Behandlung von Krankheiten. In diesem ist auch zum ersten Mal aufgeführt, dass jedem Kranken, ob reich oder arm, geholfen werden muss und sich die Bezahlung des Arztes nach dem jeweiligen Vermögen des Leidenden zu richten hat. Im Hoch- und Spätmittelalter entstanden umfangreiche Kräuterbücher, die über die Wirkungsweisen der einzelnen Pflanzen und vieler Rezepte zur Anwendung informieren.

Echte Kamille gegen Schmerzen und Fieber

Die Echte Kamille (botanisch Matricaria chamomilla) war aus der klösterlichen Medizin nicht wegzudenken. Ein Sud aus Kamillenblüten wurde bei entzündeten Geschwüren eingesetzt, außerdem half sie das Gehirn zu stärken und die Glieder zu kräftigen. Im Leipziger Kräuterbuch von 1435 ist zu lesen: „...und sie legt die Schmerzen, und erweicht die harten Glieder, und macht kleine Verdickungen der Haut wieder sanft, und vertreibt die Fieber, die durch die cholerischen Feuchtigkeiten entstehen.“

Ein Kraut gegen den Trübsinn

Schon im „Lorscher Arzneibuch“ wird das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum) zur Anwendung bei Melancholie, also Depressionen und Trübsinn, empfohlen. Es diente aber auch zur Behandlung von Wunden und wurde bei Gichtanfällen, rheumatischen Schmerzen und Menstruationsbeschwerden eingesetzt.

Der Schöne mit betörendem Duft

Mit dem Echten Lavendel (Lavandula angustifolia) wurden in der Klostermedizin Blähungen und Schmerzen im Magen und Darmtrakt beruhigt. Empfohlen wurde er ebenfalls, um Läuse oder anderes Ungeziefer unschädlich zu machen.

Wahre Fundgruben des Mittelalters

Um die in den Rezeptbüchern beschriebenen Pflanzen schnell und vor Ort nutzen zu können, legten die Klöster oftmals große Gärten an. In ihnen waren die Kräuter, Stauden und Blumen meist nach ihrer jeweiligen Wirkungsweise geordnet. Ganze Heerscharen von Laienbrüdern und -schwestern kümmerten sich um die Pflege der grünen Kostbarkeiten.
Einige dieser alten Klostergärten haben sich bis heute erhalten und bieten für Botaniker eine unerschöpfliche Fundgrube des alten Pflanzenwissens aus dem Mittelalter.

In der nächsten Folge beschäftigen wir uns mit einer der herausragendsten Persönlichkeiten des Mittelalters, die nicht nur die „Seherin vom Rhein“ genannt wurde, sondern sich ausgiebig mit der Naturheilkunde beschäftigte: Hildegard von Bingen.-yl-



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