Apfelbaum in Schieflage - großen Ast entfernen

 
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firemouse

Hallo zusammen,

meine Eltern haben einen recht großen Apfelbaum, der nach einer Baumaßnahme vor Jahren Schieflage bekommen hat.
Der untere Ast hängt auf den Gehweg und die Passanten biegen die Äste herunter, um an die (sehr leckeren) Äpfel zu kommen, was das Problem weiter verschärft.

[attachment=0]P1060261-1.jpg[/attachment]

Darum soll der untere Ast ab. Nur: wie nimmt man einen so großen Eingriff vor, wann ist die rechte Zeit dafür und wie führt man den Schnitt durch?

Außerdem wächst gegenüber des besagten Astes ein neuer kleiner Trieb senkrecht in die Höhe. Ist es möglich, diesen zu einem neuen Haupttrieb zu machen? Was muss man dabei beachten?

Ich zähle auf eure Hilfe!

Liebe Grüße!
P1060261-1.jpg
P1060261-1.jpg (1.18 MB)
P1060261-1.jpg
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Andreas75

Hy!

Den überzähligen unteren Ast würde ich im Frühjahr abschneiden, kurz vor dem Austrieb, also etwa im März.
Könnte man auch jetzt schon, aber nun kommt die Gewebsaktivität mit dem Herbst langsam zum Erliegen und die doch recht große Wunde würde unnötig lange offen sein- besser daher im Frühjahr, wenn der Baum zeitnah mit der Verheilung beginnen kann.
So lange, schwere Äste entfernt man übrigens am besten in kleinen Teilstücken, am besten gleich ofengerecht, und sägt dabei erst von unten etwas ein, dann davon etwas nach rechts versetzt von oben.
So kann keine Rinde vom Holz abgerissen werden, was vor allem näher am Stamm sehr wichtig ist. So setzt man den Ast Stück für Stück ab, und sägt das letzte Stück dann so leicht schräg am Stamm ab, dass kein Überstand stehen bleibt. Die Astoberseite sollte etwa 1 cm vom Stamm entfernt angeschnitten werden, und dann schräg nach unten so, dass an der Unterseite max. 2 cm vom Stamm entfernt ist. Da sollte der zur Verheilung wichtige Astring heil bleiben, und der Baum kann die Wunde recht zügig verheilen.
Begleitend kann man dann LacBalsam etwa 2- 3 cm breit über die Ränder der Wunde streichen, so dass das Innere frei bleibt.
So trocknet das Kambium nicht aus, was für die Wundheilung zuständig ist, und das Innere bleibt frei und kann jederzeit schnell abtrocknen, so dass Pilze weniger Chancen haben, sich festzusetzen.

Allerdings wird dieser eine, eher magere Ast abgeschnitten nichts am Übergewicht der Krone ändern, das ja weiter oben liegt.
Sende doch bitte noch mal ein recht formatfüllendes, scharfes Foto des Baumes, wenn das Laub runter ist. Dann kann man den Astaufbau und die Verzweigung erkennen und beraten, welche Astentnahme die Sache am besten entlasten würden.

Einen neuen Leittrieb würde ich aus dem Ästchen nicht ziehen, eher die Krone zur bislang kahlen Seite hin ausbauen. Würde man da nämlich eine neue komplette Krone draus formen und die alte, überhängende dann abschneiden, gäbe das eine zu große Wunde, als dass der Baum sie in angemessener Zeit verheilen könnte. Die Folge wäre Fäulnis im Holz, ein hohler Stamm an sensibler Stelle, und das wäre der Anfang vom Ende des Baums.

Lieber die jetzt überhängende Krone etwas reduzieren, und den Sprießel als neue Kronenhälfte erziehen. Hierfür würde ich ihn jetzt ableiten.
Sprich eine nicht zu eng anliegende Schnur dran, diese an einen Zelt- Hering geknotet und den so in den Boden stecken, dass der Zweig in einem Winkel von etwa 90 ° zum Stamm steht.

Grüße,
Andreas
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firemouse

Hallo Andreas!

vielen vielen Dank für Deine tolle Antwort! Ich weiß nicht, inwieweit der Baum überhaupt in den letzten Jahren geschnitten wurde. Meine Eltern und auch ich haben keine ernstzunehmende Erfahrung im Obstbaumschnitt, möglicherweise sollten wir für die Umgestaltung der Krone einen Profi ranlassen. Den Neutrieb abzuleiten traue ich mir aber zu und werde das in der nächsten Zeit angreifen.

Das Foto - gestern abend "mal noch schnell" aufgenommen, nachdem meine Mutter mich um meine Meinung bat - täuscht ein wenig, an dem Ast hängen zum Ende hin recht viele kleinere Äste dran, die sicherlich ein Viertel bis Drittel zur Krone beitragen. Sobald der Baum sich seiner Blätter entledigt hat gibt es ein neues Foto.

Ich hab jetzt schon häufiger gelesen, dass man eher so im Sommer schneiden sollte und dass man auf keinen Fall Lacbalsam verwenden sollte. Oder gilt das nur für kleinere Schnitte?
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Loony Moon

Hallo firemouse,

ich schneide unsere Bäume immer im Winter (Weihnachten rum), ohne irgendwelches Lackgedöns. Kleinere Korrekturschnitte mit der Astschere dann vor dem Austrieb nochmals.

Selbst bin ich auch nicht der große Profi, in diesem Winter lasse ich einen Gärtner ran, weil ich ein paar größere Wünsche habe. Nicht nur an den Apfelbäumen, sondern auch an der Pflaume. Korrekturschnitte der großen Art traue ich mir dann doch nicht zu.

Für deinen Baum wäre auch überlegenswert, ob er nicht einen radikalen Rückschnitt verträgt, damit er die Krone neuausbildet? Aber da würde ich wirklich einen Gärtner ranlassen.
Achja, richte dich dann auch darauf ein, dass der Baum zunächst etwas Zeit braucht, ehe die Früchte wieder in den gewohnten Mengen kommen.

Wart mal ob, ob plantsman oder die anderen großen Meister dir noch ein paar mehr Tipps geben können.
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Plantsman

Moin,

das Abschneiden von Ästen mit einem Durchmesser von über 5 cm macht man im Mai/Juni. In dieser Zeit ist das vegetative Wachstum am stärksten und die Schnittfläche schnell überwallt. Es sollte nie Wundverschluß benutzt werden, bringt defintiv nichts.
Die Schnitttechnik hat Andreas ja schon erklärt. Es sollte aber nicht mehr stammnah abgeschnitten werden sondern ein Stummel von ca. 5 mm Länge stehen bleiben. Dieser wird vom Baum, ähnlich wie ein Splitter in unserem Finger, abgekapselt und entweder überwachsen oder herausgedrückt.

Ein Auslichtungsschnitt der Krone scheint aber tatsächlich fällig zu sein. Die dünneren Äste kann man dann entweder im März ausschneiden oder gleichzeitig mit dem Entfernen des großen Triebes in Angriff nehmen.

Winterschnitt sollte man immer vermeiden. 1. kann stärkerer Frost das offenliegende Holz schädigen und 2. dringen holzzerstörende Pilze viel tiefer in den Baum ein. Sie sind nämlich weiterhin aktiv während der Baum sich in Ruhe befindet und nicht wehren kann.
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Andreas75

Hy!

Loony Moon: Bin halt auch Landschaftsgärtner und Gartenpfleger .

Mit LacBalsam und anderen Wundverschlussmitteln ist das halt so: Man muss das unmittelbar nach dem Schnitt aufbringen, nach ein paar Minuten hat es kaum noch Sinn, weil dann schon Pilzsporen etc. en masse drauf sind, die sich bei feuchtem Holz und geschützt durch die Lac- Schicht dann recht wohl fühlen.

Unter 5 Markstück- Größe braucht man es nicht. Und eben um bei größeren Wunden einerseits das empfindliche Kambium, das ja zur Wundheilung unerlässlich ist, vor der Austrocknung zu schützen(Wundheilung kann so unverzögert beginnen, und nicht erst ein/ zwei Wochen später), andererseits aber Pilzen wenig Chance zu lassen, wende ich es, wenn, nur noch wie gehabt an. Den Wundrand etwa 2- 3 cm breit mit dem Wundverschlußmittel abdecken, das Innere aber offen lassen. Ist der Baum vital und wüchsig, sind solche Wunden dann meist in max. 4 Jahren verheilt.
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Loony Moon

@Andreas 75: Steht ja nicht bei ...

Und die Frage ist trotzdem, ob nicht in den "paar" Sekunden, Schnittgerät ablegen und Balsoam nehmen und verstreichen nicht doch schon Pilze & Co in die frische Schnittwunde eindringen können.
Ich glaube, irgendwo wurde diese Diskussion schon mal im Forum geführt.
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Lapismuc

Möglicherweise kann man auch Edelreißer abnehmen und in einer Obstbaumschule aufpfropfen lassen?? Als Sicherungskopie und als komplett neuen Baum. Langfristig scheint der alte Baum nur Probleme zu machen.

vlG Lapismuc
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Plantsman

Moin,

in Langzeitversuchen an der Baumschul-Versuchsanstalt Bad Zwischenahn und in den Versuchsgärten der Englischen Gartenbaugesellschaft (Royal Horticultural Society) wurde ein Selbstverschluß der Wunden bei vielen Baumarten schon nach ca. 4 Monaten festgestellt. Am längsten brauchten Walnüsse, ca. 12 Monate. Dafür ist es aber notwendig, den Baum im Frühsommer zu schneiden, keinen Wundverschluss aufzutragen und daß der Baum in einem einigermassen gutem Zustand ist. Die schlechtesten Ergebnisse gab es bei Winter-Schnitt mit Wundverschluss.
So ist der neueste Stand des Wissens aus der Gartenbau-Wissenschaft.
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Andreas75

Danke für die tolle Erklärung, plantsman =)!

Loony: Ja, das habe ich mich auch immer gefragt, und es daher eigentlich seit Jahren auch nicht gemacht, mit Wundverschlussmitteln. Eindringen können die in der Luft allgegenwärtigen Sporen so schnell nicht, aber auf der Schnittfläche landen. Daher mache ich nun wirklich nur bei Wunden über 5 cm den Wundrand entlang einen Verschlußmittel- Ring, der das Kambium schützt, den Innenteil der Wunde behandle ich nicht. Letztendlich verschmiert aber in der Natur auch keiner, und so kann man vitale, gut wüchsige Bäume auch ohne lassen. Ich habe halt nur den persönlichen Eindruck, dass es sich mit Schutz speziell des Kambiums am Wundrand etwas leichter verheilt .

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