Luftige Berggipfel und hoch gelegene Almwiesen gelten als der Lebensraum schlechthin für alpine Pflanzen. Viele Arten findet man tatsächlich nur oberhalb der Baumgrenze, doch es gibt auch Arten, die wesentlich anpassungsfähiger sind und sogar auf Felsen und Trockenwiesen im Tiefland oder in Sümpfen, Mooren und Heiden laben. Allen Alpenblumen gemeinsam ist, dass sie mit unwirtlichen Bedingungen wie starken Winden, Trockenheit, hoher Lichtintensität, extremen Temperaturschwankungen, kurzen Sommern und langen Wintern besser zurecht kommen als Tieflandpflanzen.
Berühmte “Persönlichkeiten” aus den Alpen
Manche Bergblumen sind so typisch für die alpine Flora, dass sie das Wort “Alpen” sogar in ihrem Namen tragen. Zu den schönsten Beispielen zählen das zierliche Alpenleinkraut (botanisch Linaria alpina), die seltene Alpen-Akelei (botanisch Aquilegai alpina), die graziöse Alpen-Waldrebe (botanisch Clematis alpina), die freundlich wirkende Alpen-Aster (botanisch Aster alpinus) und natürlich das berühmte Alpen-Edelweiß (botanisch Leonthopodium alpinum). Letzteres erfreut sich derartiger Beliebtheit, dass es zum Beispiel das Logo des deutschen Alpenvereins ziert, und in Österreich sogar die Zwei-Cent-Münze schmückt und als Brandzeichen für die robusten Haflinger-Pferde verwendet wird.
Allenfalls der Enzian kann es, was die Popularität betrifft, noch mit dem Edelweiß aufnehmen. Der Echte Alpen-Enzian (botanisch Gentiana clusii) ist mit seinen großen, reinblauen Blütenglocken eine strahlende Erscheinung, die nur schwer zu übersehen ist. Auf manchen Bergwiesen blüht er noch so zahlreich, dass der Boden nach der Schneeschmelze übersät ist mit blauen Farbtupfern.
Doch die Gattung der Enziane hat dem aufmerksamen Wanderer im Laufe des Sommers noch weit mehr zu bieten. So kann man beispielsweise ab Juli auf den völlig andersartigen gelben Enzian (botanisch Gentiana lutea) treffen, aus dessen Wurzeln der bekannte Enzianschnaps hergestellt wird. Mit bis zu eineinhalb Metern Höhe ist er eine stattliche Erscheinung. Im Spätsommer und im Herbst blüht der Schwalbenwurzenzian (botanisch Gentiana asclepiadea), bei dem es sich um eine ausgesprochen elegante Art handelt. Er bildet bis zu einen Meter lange, bogig überhängende Stängel, an denen die azurblauen Blütenbüschel im Wind schaukeln. Zur selben Zeit kann man auch auf den Feldenzian treffen (botanisch Gentianella campestris), der zur Gattung der Fransenenziane gehört. Tatsächlich ragt aus dem Zentrum der meist hellvioletten Blütenkelche bei dieser Art ein Kranz aus Fransen heraus, was die richtige Bestimmung vereinfacht.
Kleinode und Endemiten
Neben den allgemein bekannten Stars der alpinen Flora sind es oft die kleinen und auf den ersten Blick unscheinbaren “Blümchen” die bei genauerem Hinschauen die kunstvollsten Blüten aufweisen. Der Fetthennensteinbrech (botanisch Saxifraga aizoides) beispielsweise hat zwar nur etwa einen Zentimer große Blüten, diese sind jedoch recht ungewöhnlich geformt und meist dunkel gepunktet auf gelbem oder orangenen Grund. Das zart geäderte Sumpfherzblatt (botanisch Parnassia cordifolia) ist ebenfalls ein solches Kleinod. Es wächst häufig direkt neben den Wanderwegen und wird dennoch oft übersehen.
Übersehen zu werden, muss allerdings nicht immer von Nachteil sein. Manche Alpenblumen, so genannte Endemiten, sind so selten, dass man sie nur in einer bestimmten Region und dort auch nur an wenigen Standorten findet. Zu viel Aufmerksamkeit von Pflanzensammlern kann ihre Bestände schnell in Bedrängnis bringen. Der Kärntner Kuhtritt (botanisch Wulfenia carinthiaca) etwa wächst nur im Gebiet des Gartner Kofels in den Karnischen Alpen. Einseles Akelei (botanisch Aquilegia einseleana) ist ein ähnlicher Fall. Ihre individuenarmen Populationen liegen weit verstreut in Tirol, Italien und der Schweiz. Die Art gilt als Relikt der Eiszeit und wird mit zunehmender Klimaerwärmung möglicherweise vollständig verschwinden.
Finger weg von schönen Blumen
Keinesfalls sollte man ohnehin schon seltenen Arten ausgraben oder pflücken.Auch die nächsten Generationen wollen sich noch am Artenreichtum der Alpen erfreuen. Kaum etwas kann für einen naturbegeisterten Menschen schöner sein, als den Blick über eine bunte Wiese voller erhabener Türkenbundlilien, lieblicher Glockenblumen, fröhlich wirkender Sonnenröschen, verschwenderischer Almrosen und samtiger Küchenschellen wandern zu lassen. Hinter jedem Felsen und jedem Busch scheinen neue Ausdrucksformen der Natur darauf zu warten, dass man sie entdeckt. -hör-
[size=117]Dies ist ein Artikel aus unserer Zeitschrift Pflanzen wunderschön. Von Mitgliedern für Pflanzenfreunde geschrieben.... Den kompletten Artikel mit Bildern findest Du in der Ausgabe 6[/size]