Begabter Sänger im schwarzen Kleid - Die Amsel Zu den Zeit

Autor: Redaktion Magazin   
Veröffentlicht: 12.05.2012 - 17:09 Uhr
 


Zu den Zeiten, als die Gebrüder Grimm ihre Märchen sammelten, waren Amseln scheue Waldbewohner, die man kaum je zu Gesicht bekam. Noch im 19. Jahrhundert jedoch begannen sie, in die besiedelten Gebiete vorzudringen. Sie mauserten sich zu waschechten Kulturfolgern, die in Städten Wärme und Nahrung im Überfluss fanden. Heute gehören Amseln zu den häufigsten Vögeln Deutschlands, und ihr Gesang ist selbst in den Innenstädten zu hören.

Große Sänger der frühen Stunde / Singende Frühaufsteher

Turdus merula, wie die Amsel zoologisch genannt wird, gehört zur Familie der Drosseln (Turdidae). Mit ihrem lautstarken und sehr ausdauernd vorgetragenen, melodischen Gesang prägen die Männchen den Charakter warmer Frühsommerabende. Von März bis Juli sind sie auch morgens, oft schon eine Stunde vor Sonnenaufgang, zu hören. Sie singen meist von hohen Warten aus und sind dort gut zu erkennen. Die Tiere flechten zahlreiche Imitationen in ihren Gesang ein. Nachgeahmtes Klingeln hat schon manchen zum Telefon laufen lassen. Außerhalb der Brutzeit singen Männchen wie Weibchen oft ganz leise. Auch das für menschliche Ohren deutlich unangenehmere Zetern der Amseln ist weithin zu hören.
Eine weitere Eigenart der Amseln ist ihre ausgesprochene Liebe fürs Baden, sei es nun im flachen Wasser, im Staub oder in der Sonne.

Von Schnecken und Regenwürmern / Reichhaltiges Büffet

Amseln sind Allesfresser, die ihre Nahrung vorwiegend am Boden hüpfend suchen. Die ruckartigen Bewegungen, mit denen sie dabei welkes Laub wenden, sind sehr charakteristisch. Ihre Hauptaufmerksamkeit gilt Regenwürmern, welche sie auf kurzem Rasen besonders einfach erbeuten können. Käfer, Schnecken, Spitzmäuse und kleine Reptilien werden ebenfalls gerne genommen. Ist andere Nahrung knapp, werden auch kleinste Insekten wie Blattläuse nicht verschmäht. Neben tierischer Kost stehen Beeren, wie die von Holunder oder Efeu, aber auch andere Früchte auf dem Speiseplan. Im Winter lassen sie sich mit aufgeschnittenen Äpfeln in Scharen anlocken.

Alle Vögel sind schon da / Winterliches Ausharren

Nur ein Teil der Amseln bleibt während des Winters in den Brutgebieten. Der Rest verbringt die kalten Tage in Südeuropa und Nordafrika. Für die Vögel ist die Überwinterung von außerordentlicher Bedeutung. Ziehen sie nicht fort, laufen sie Gefahr, zu erfrieren oder zu verhungern. Wer den Winter jedoch im Brutgebiet überlebt, hat ungleich bessere Chancen, ein gutes Revier besetzen zu können. Wegen der günstigen Bedingungen können Stadtamseln eher im Brutgebiet überwintern als Waldvögel. Besonders alte, erfahrene Männchen gehen das Risiko ein, nicht fortzuziehen. Außerhalb der Brutsaison sind Amseln soziale Vögel, die nachts oft in Gruppen ruhen und im Winter in gemischten Schwärmen mit anderen Drosseln umherziehen. Während der Brut jedoch werden die Reviere scharf verteidigt. Kämpfe zwischen Weibchen enden nicht selten tödlich.

Ein Nest voll hungriger Schnäbel / Piepsiger Nachwuchs

In guten Jahren ziehen Amseln von Februar oder März bis August zwei bis drei Bruten groß. Allerdings birgt der frühe Brutbeginn Risiken: Viele Jungvögel fallen Spätfrösten zum Opfer.
Das Weibchen sammelt Nistmaterial und feuchten Lehm am Boden und baut das Nest frei in Bäumen oder Sträuchern. Nachdem das dritte Ei in die weich gepolsterte Nestmulde gelegt wurde, verlässt die Mutter das Nest nur noch zur Nahrungssuche, während der Vater Wache hält. Nach zehn bis 19 Tagen schlüpfen die Jungen und werden von beiden Eltern zunächst mit tierischer Nahrung, später auch mit Früchten gefüttert. Bereits nach zwei Wochen verlassen die Jungen das Nest. Die nächste Zeit verbringen die noch flugunfähigen Jungvögel in Sträuchern und Gestrüpp in Bodennähe. Hier werden sie noch ein bis zwei Wochen lang besonders vom Vater gefüttert. Mit sieben Wochen verlassen sie das Revier und zerstreuen sich.

Vom Risiko, von vielen geschätzt zu werden / Gefährliches Leben

Amseln stehen auf dem Speiseplan verschiedener Raubtiere. Marder, Füchse, Katzen, Greifvögel und Eulen erbeuten Jungvögel wie Alttiere. Rabenvögel, Eichhörnchen und Wanderratten rauben vorwiegend Eier und Jungtiere. Vom Menschen droht in Deutschland vor allem durch den Autoverkehr Gefahr. In anderen Ländern gelten Amseln und andere Singvögel als Delikatesse oder werden als Schädlinge verfolgt. Ende 2011 sorgte ein tropischer Erreger, das Usutu-Virus, in Deutschland regional für Bestandseinbrüche. Wie sich diese Krankheit weiter entwickelt, bleibt abzuwarten. Die Zukunft der erfolgreichen Sänger scheint jedoch nicht gefährdet zu sein. -rh-

Nestlinge einsammeln

Die ersten Wochen außerhalb des schützenden Nestes verbringen die Jungvögel auf dem Boden und in niedrigem Gebüsch. Häufig wirken sie noch sehr hilflos und hüpfen eher zur Seite, als dass sie auffliegen. Sie werden von ihren Eltern gefüttert und sind gut versorgt. Sie einzusammeln wäre gänzlich unangebrachte “Hilfe” mit meist fatalen Folgen. Wurde ein Jungvogel doch angefasst, kann er bedenkenlos wieder am Fundort ausgesetzt werden. Vögel haben keinen guten Geruchsinn und die Eltern lassen sich sicher nicht durch den “Menschengeruch” davon abhalten, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. -rh-


Gelegentlich lassen Amseln Ameisen ins Gefieder krabbeln. Dazu legen sie sich gezielt auf ein Ameisennest oder eine Ameisenstraße oder streichen mit Ameisen im Schnabel durch das Gefieder. Weshalb sie dies tun, ist nicht sicher. Vermutlich dient es der Gefiederpflege durch die antibakterielle Wirkung der Ameisensäure, eventuell auch dem „Entschärfen“ späterer Beute. -rh-



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