Das Nachbarrecht in Baden-Württemberg
Unser Neues Nachbarrecht ? Ein Wegweiser
Streitigkeiten mit Nachbarn gehören mit zu den unangenehmsten Erfahrungen eines Grundstückbesitzers. Denn man muss auch nach der Schlichtung zusammenleben können. Um dies in einem so dicht besiedelten Raum wie Baden-Württemberg zu gewährleisten, sind neben dem Bundesrecht eine Reihe von landesrechtlichen Bestimmungen geschaffen worden, die bei nachbarrechtlichen Fragen Rechtssicherheit bieten sollen. Dieses Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht macht die Gesetzeslage für Laien allerdings nicht gerade einfach.
Diese Broschüre soll Ihnen deshalb einen kleinen Überblick über die einschlägigen Vorschriften verschaffen. Ob es die Abstände zwischen Gebäuden sind oder die Frage, welche Bepflanzung zulässig ist, ob es das Notwegrecht betrifft oder die Feststellung des Grenzverlaufs ? wir hoffen, dass wir mit dieser Broschüre die wichtigsten Fragen beantworten können. Natürlich kann und will diese Informationsschrift nicht eine auf den Einzelfall abgestimmte Beratung durch einen Rechtskundigen ersetzen.
Ich würde mich freuen, wenn diese Broschüre auch dazu beitragen kann, dass es erst gar nicht zu Streitigkeiten mit Ihrem Nachbarn kommt.
Prof. Dr. Ulrich Goll - Justizminister des Landes Baden-Württemberg
1. Allgemeine Hinweise
Diese Informationsschrift möchte dazu beitragen, das nachbarliche Verhältnis durch Aufklärung über die gesetzlichen Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer zu verbessern. Dabei stehen die privatrechtl ichen Regeln über die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn im Vordergrund. Im Interesse der Vollständigkeit wird an verschiedenen Stellen auf daneben bestehende Vorschriften des öffentlichen Rechts, insbesondere des Baurechts und Immissionsschutzrechts hingewiesen, die sich auf die Rechte eines Grundstückseigentümers und das nachbarliche Verhältnis auswirken. Der wesentliche Unterschied zwischen den hier dargestellten privatrechtlichen Vorschriften und den nur am Rande erwähnten öffentlich-rechtlichen Bestimmungen besteht darin, dass sich um die Einhaltung der privatrechtlichen Bestimmungen keine Behörde kümmert, sondern dass der jeweilige Berechtigte selbst auf der Einhaltung dieser Vorschriften bestehen und diese im Streitfall vor Gericht geltend machen muss. Demgegenüber achten die zuständigen Behörden auf die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen. Ein Grundstückseigentümer hat keinen direkten Anspruch gegenüber dem Nachbarn darauf, dass dieser die öffentlich-rechtlichen Vorschriften einhält; auch von der zuständigen Behörde kann er nur in Ausnahmefällen verlangen, dass diese gegenüber einem Nachbarn auf Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen besteht. Es ist deren Entscheidung überlassen, wie sie im Einzelfall die öffentlich-rechtlichen Vorschriften durchsetzt.
Die gesetzlichen Vorschriften, auf denen diese Informationsschrift beruht, stehen zum Teil im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das in der ganzen Bundesrepublik gilt, und zum Teil im baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetz (NRG).
Wie alle privatrechtlichen Beziehungen können auch die des Nachbarrechts durch Vereinbarung zwischen den beteiligten Grundstückeigentümern geregelt werden; ein solcher Vertrag ist jederzeit möglich und ohne besondere Form, damit auch mündlich, wirksam. Zur besseren Nahweisbarkeit empfiehlt es sich aber, wichtige Absprachen schriftlich niederzulegen und zu unterschreiben. Viele der sich aus dem Nachbarrecht ergebenden Ansprüche unterliegen der Verjährung. So können die Beseitigungsansprüche nach dem Nachbarrechtsgesetz grundsätzlich nach fünf Jahren nicht mehr duchgesetzt werden (§ 26 NRG). Andere nachbarrechtliche Ansprüche, die in dieser Broschüre besonders gekennzeichnet sind, unterliegen keiner Verjährung.
Einige Begriffe, die immer wieder vorkommen, sind vorweg zu erklären:
Nachbarn im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen sind nur Grundstückseigentümer von rechtlich getrennten Grundstücken. Es ist aber nicht erforderlich, dass die Grundstücke unmittelbar aneinander grenzen; das Nachbarrecht gilt auch für Grundstücke, die zum Beispiel durch einen Weg oder Bach getrennt sind. Für die Rechtsbeziehungen zwischen Wohnungseigentümern, die Wohnungen auf dem gleichen Grundstück haben, gelten diese Vorschriften nicht. Hier ergeben sich vor allem aus der Gemeinschaftsordnung (Teilerklärung, Hausordnung) oder aus Beschlüssen der Wohnungseigentümer deren Rechte und Pflichten.
Zur Innerortslage gehören Grundstücke, die entweder im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes oder innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegen, wobei landwirtschaftlich genutzte Grundstükke davon ausgenommen sind (§ 12 Abs. 2 NRG). Demgegenüber befinden sich Grundstücke, die weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegen, im Außenbereich (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 Baugesetzbuch).
Landwirtschaftlich genutzt sind solche Grundstücke, die insbesondere em Ackerbau, der Wiesen- und Weidewirtschaft, dem Wein-, Garten oder Erwerbsobstbau im Rahmen eines Betriebs dienen (§ 7 Abs. 1 RG und § 201 Baugesetzbuch). Für die an mehreren Stellen genannten Ansprüche auf Zurückschneiden oder Kürzen von Bäumen, Hecken und sonstigen Anpflanzungen gelten folgende Besonderheiten:
- In der Zeit vom 1. März bis 30. September eines jeden Jahres kann das Zurückschneiden nicht verlangt werden.
- Diese Ansprüche unterliegen nicht der Verjährung (§ 26 Abs. 3 NRG).
Diese Informationsschrift kann nur einen Überblick über die gesetzlichen Regelungen geben und insbesondere die Ausnahmebestimmungen nicht erschöpfend darstellen. Die Prüfung nachbarrechtlicher Fragen ist im Einzelfall sehr kompliziert. Die Behörden des Landes und der Gemeinde dürfen zu konkreten nachbarrechtlichen Fragen keine Stellung nehmen; dies gilt auch für die Gerichte außerhalb eines Gerichtsverfahrens. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich deshalb, fachkundigen Rat bei einem Angehörigen der rechtsberatenden Berufe einzuholen. Häufig können auch beteiligte Verbände, zum Beispiel Haus- und Grundbesitzervereine, ergänzende Auskünfte geben.
2. Veränderung am Grundstück
Bei Vertiefungen oder Aufschüttungen auf dem eigenen Gelände ist auf die Interessen des Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Bei Abgrabungen, die zu einer Vertiefung führen, darf der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze nicht verlieren (§ 909 BGB). Bei Erhöhungen muss ein solcher Abstand vom Nachbargrundstück eingehalten werden, dass dieses nicht geschädigt wird. In der Regel ist deshalb entweder die Anlegung einer (nicht zu steilen) Böschung auf dem eigenen Grundstück oder die Einrichtung einer Stützmauer oder sonstigen sicheren Befestigung erforderlich. Bei Erhöhungen des eigenen Grundstücks ist außerdem mit der Böschung, der zu errichtenden Mauer oder einer sonstigen Befestigung gegenüber Grundstücken im Außenbereich grundsätzlich ein Abstand von 0,50 m einzuhalten (§§ 9, 10 NRG):
Auch Aufschichtungen von Holz oder Steinen sowie Komposthaufen oder dergleichen müssen, wenn sie bis zu 2 Meter hoch sind, einen Abstand von mindestens 0,50 m einhalten. Falls diese Aufschichtungen höher sind, müssen sie entsprechend weiter entfernt sein (§ 8 NRG).
3. Einwirkungen vom Nachbargrundstück
Grundsätzlich kann jeder Eigentümer einer Sache, damit auch eines Grundstücks, andere Personen von jeglicher Einwirkung ausschließen; nach § 906 BGB ist ein Grundstückseigentümer jedoch zur Duldung von Einwirkungen von anderen Grundstücken (z. B. Geräusche, Gerüche, Rauch und Wärme) insoweit verpflichtet, als die Benutzung seines Grundstücks dadurch nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Auch eine wesentliche Beeinträchtigung durch solche Immissionen ist dann hinzunehmen, wenn sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks verursacht werden; in diesen Fällen hat jedoch der benachteiligte Grundstückseigentümer grundsätzlich einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich.
Für die Frage, ab welcher Intensität oder Dauer eine solche Einwirkung wesentlich ist, kommt es in erster Linie auf die in öffentlich-rechtlichen Bestimmungen festgelegten Grenz- oder Richtwerten an. Hierbei sind vor allem das Bundesimmissionsschutzgesetz und die darauf aufbauenden Vorschriften, zum Beispiel über Feuerungsanlagen, Rasenmäher, Baumaschinen, Verkehrslärm, Sportanlagenlärm sowie die technische Anleitung (TA) Luft und die TA Lärm von Bedeutung. Wenn die darin festgesetzten Grenz- oder Richtwerte eingehalten werden, ist im Regelfall von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen. Bei Einwirkungen, für die keine Immissionsschutzbestimmungen bestehen (z.B. Befall eines Grundstücks mit Laub, Nadeln oder Blüten von Bäumen oder Sträuchern auf einem Nachbargrundstück, Überfliegen oder Durchstreichen eines Gartengrundstücks durch Kleintiere eines Nachbarn, Beeinträchtigungen durch Unkrautvernichtungsmittel und anderen Chemikalien oder durch störende Lichtquellen), kann die Frage der Wesentlichkeit nur unter Berücksichtigung aller Umstände eines konkreten Einzelfalls entschieden werden; selbstverständlich gehen die Meinungen hierüber zwischen den beteiligten Grundstückseigentümern, aber auch unter Juristen, oft auseinander. Deshalb gibt es zu diesen Bestimmungen sehr viele Urteile. Das gleiche gilt für die Frage, ob eine Grundstücksnutzung ortsüblich ist.
4. Abstand von Fenstern und Balkonen
Der bei Errichtung eines Gebäudes einzuhaltende Bauabstand ist in der öffentlich-rechtlichen Landesbauordnung geregelt. Der sich daraus ergebende Abstand hängt in erster Linie von der Höhe des geplanten Gebäudes sowie von etwaigen Festsetzungen im Bebauungsplan ab. Abgesehen von zahlreichen Ausnahmebestimmungen und von Ausnahmegenehmigungen im Einzelfall ist mit Gebäuden grundsätzlich mindestens ein Abstand von 2,50 m von der Grenze einzuhalten. Im Nachbarrechtgesetz ist insoweit lediglich geregelt, dass vor Fenstern, Balkonen, Terrassen und anderen Teilen eines Nachbargrundstücks, von denen aus das Nachbargrundstück eingesehen werden kann, Abstandsflächen eingehalten werden müssen. Diese betragen mindestens 1,80 m vor dem Fenster oder Balkon und 0,60 m seitlich hiervon. Einige Beispiele für die Berechnung dieser Abstandsflächen sind nachstehend skizziert. Solche Abstandsflächen sind vor undurchsichtigen Bauteilen (z. B. Glasbausteinen) und vor Oberlichtern, deren Unterkante mindestens 1,80 m über dem Fußboden liegt, nicht notwendig. Im Interesse der Rechtssicherheit kann das Verlangen nach Einhaltung dieses Bauabstandes nur innerhalb von zwei Monaten nach der Benachrichtigung des Nachbarn über das geplante Bauvorhaben gestellt werden. Der Nachbar kann auch dann ausnahmsweise die Einhaltung dieser Abstandsvorschriften nicht verlangen, wenn der Einbau der Fenster und dergleichen nach besonderen Vorschriften des Baurechts oder auf Grund einer erteilten Ausnahmegenehmigung der Baubehörde zulässig ist.
5. Bäume, Sträucher und Sonstige Pflanzungen
Anpflanzungen geben häufig Anlass zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Grundstücksnachbarn. Die Gründe hierfür sind sehr vielfältig; mit die wichtigsten sind die unterschiedlichen Auffassungen über die Schönheit einer Gartenanlage und die Auswirkungen eines Baumes oder Strauches (Schattenwirkung, Samen- und Blätterflug) auf die benachbarten Grundstücke. In § 16 NRG sind die Sträucher und Bäume in verschiedenen Gruppen zusammengefasst, je nachdem wie groß diese Pflanzen werden können.
1. Der geringste Abstand von 0,50 m ist mit "artgemäß kleinen Gehölzen", wie z. B. Beerenobststräuchern, Rosen und Ziersträuchern einzuhalten. Mit Baumschul- und Weihnachtsbaumkulturen sowie jährlich genutzten Weidenpflanzungen muss ein Abstand von mindestens 1 m gehalten werden; für alle vorgenannten Pflanzen besteht zusätzlich eine Höhenbegrenzung von 1,80 m.
2. Die zweite Gruppe umfasst Obstbäume auf schwach- und mittelstark wachsenden Unterlagen sowie Gehölze artgemäß ähnlicher Ausdehnung; mit diesen Bäumen ist ein Abstand von 2 m gegenüber landwirtschaftlich genutzten Grundstücken und von 1 m gegenüber Grundstücken in Innerortslagen einzuhalten; für diese Bäume besteht außerdem eine Höhenbegrenzung von 4 m.
3. Sonstige Obstbäume (außer Walnussbäumen und solchen auf stark wachsenden Unterlagen) müssen gegenüber landwirtschaftlich genutzten Grundstücken einen Abstand von 3 m und gegenüber Grundstücken in Innerortslagen einen solchen von 1,50 m einhalten.
4. Artgemäß mittelgroße oder schmale Bäume wie Akazien, Birken, Blaufichten, Ebereschen, Erlen, Saalweiden, Serbische Fichten, Tujen, Weißbuchen, Weißdornen, Zieräpfel, Zierkirschen und Zierpflaumen haben gegenüber landwirtschaftlich genutzten Grundstücken einen Abstand von 4 m und gegenüber Grundstücken in Innerortslage einen solchen von 2 m einzuhalten.
5. Mit Obstbäumen auf stark wachsenden Unterlagen sowie mit veredelten Walnussbäumen ist stets ein Abstand von 4 m einzuhalten.
6. Der größte Abstand mit 8 m ist beim Pflanzen von großwüchsigen Laubbäumen (z. B. Buchen, Eichen, Eschen, Kastanien, Linden, Pappeln, Platanen), Nadelbäumen (z. B. Kiefer, Lärche, Rot- und Weißtanne) sowie unveredelten Walnusssämlingsbäumen einzuhalten. Einzeln stehende Laubbäume dieser Art dürfen an ein Grundstück in Innerortslage jedoch bis auf 6 m heranrücken.
Welche einzelnen Baumsorten unter die jeweilige Kategorie fallen, ist im Einzelfall unter Hinzuziehung eines Gartenbausachverständigen zu entscheiden. Es empfiehlt sich, solche Auskunft vor der Anpflanzung einzuholen.
Der Abstand wird nach § 22 NRG zwischen der Grundstücksgrenze und der Mittelachse des Baumstammes beim Austritt aus dem Boden waagerecht gemessen. Wenn zwischen zwei Grundstücken ein öffentlicher Weg oder ein Gewässer verläuft und das Nachbargrundstück landwirtschaftlich genutzt wird, wird der Abstand nicht bis zur Grenze des Nachbargrundstücks, sondern nur bis zur Mitte des Weges oder Gewässers gemessen. Dem pflanzenden Eigentümer kommt damit die Hälfte der Breite des Weges/Gewässers zugute. Gegenüber Grundstücken in Innerortslage wird hingegen die gesamte Breite des Weges/Gewässers bei der Berechnung des Abstandes mitgerechnet, so dass in diesem Fall näher an das Nachbargrundstück herangerückt werden kann (§ 22 Abs. 2 NRG). Besondere Vorschriften bestehen für Bäume oder Sträucher, die auf der Grenze zwischen Grundstücken stehen; maßgeblich ist auch hier die Austrittsstelle des Stammes aus der Erde. Für solche Pflanzen gilt, dass jeder Nachbar grundsätzlich jederzeit die Beseitigung eines solchen Grenzbaumes oder ?strauches verlangen kann und etwaige Früchte den Nachbarn zu gleichen Teilen gehören. Grundsätzlich haben die Kosten der Beseitigung die Nachbarn zu gleichen Teilen zu tragen; ihnen steht auch das Holz des gefällten Baumes oder Strauches zu gleichen Teilen zu. Wenn jedoch nur ein Nachbar die Beseitigung verlangt und der andere auf seine Rechte an dem Baum oder Strauch verzichtet, hat der die Beseitigung verlangende Nachbar die Kosten allein zu tragen und der gefällte Baum gehört dann ihm allein (§ 923 BGB).
6. Hecken, Zäune, Spaliere und sonstige Einfriedungen
Die Einfriedung eines Grundstückes kann vom Nachbarn nur bei bebauten Grundstücken im Außenbereich verlangt werden (§ 7 Abs. 4 NRG). Mit sonstigen Einfriedungen, die jeder Grundstückeigentümer auf seinem Grundstück errichten kann, sind folgende Abstände einzuhalten (§§ 11 bis 13 NRG):
1. Mit jeder Art von toten Einfriedungen (insbesondere Zäune und Mauern) ist gegenüber landwirtschaftlich genutzten Grundstücken ein Abstand von 0,50 m einzuhalten. Wenn die tote Einfriedung (außer bei Drahtzäunen und Schranken) höher als 1,50 m ist, muss sie gegenüber diesen Grundstücken einen entsprechend größeren Abstand einhalten. Gegenüber anderen Grundstücken können tote Einfriedungen bis zu einer Höhe von 1,50 m ohne Abstand errichtet werden; höhere Zäune und sonstige Einfriedungen (außer Drahtzäune und Schranken) sind entsprechend der über 1,50, hinausgehenden Höhe zurückzusetzen.
2. Hecken müssen einen Pflanzabstand von 0,50 m (gemessen ab der Mittelachse des Stammes) einhalten und dürfen nicht höher als 1,80 m sein. Höhere Hecken müssen entsprechend weiter zurückgesetzt werden (z.B. kann eine Hecke mit einem Pflanzenabstand von 1 m bis 2,30 m hoch werden). In Innerortslagen darf die Hecke, wenn sie nicht höher als 1,80 m ist, bis zur Grenze wachsen; gegenüber landwirtschaftlich genutzten Grundstücken muss sie demgegenüber bis zur Hälfte des vorgeschriebenen Pflanzabstandes zurückgeschnitten werden.
3. Spaliervorrichtungen, durch die eine flächenartige Ausdehnung der daran gepflanzten Bäume erreicht werden soll, dürfen bis zu einer Höhe von 1,80 m ohne Grenzabstand errichtet werden. Höhere Spaliere müssen einen Abstand entsprechend der Mehrhöhe erhalten. Für tote Einfriedungen, die nicht wenigstens 0,50 m von der Grenze entfernt sind, ist ergänzend vorgeschrieben, dass Zäune so eingerichtet sein müssen, dass die Ausbesserung von der Seite des Eigentümers aus möglich ist, und dass freistehende Mauern nicht gegen das Nachbargrundstück abgedacht werden dürfen.
Diese Vorschriften des Nachbarrechtsgesetzes müssen dann nicht eingehalten werden, wenn ein Bebauungsplan (oder eine vergleichbare Satzung) bindende Festsetzungen über den Standort von Hecken oder Einfriedungen enthält. Zum Beispiel kann in einem Bebauungsplan aus gestalterischen Gründen als Standort von Hecken oder Einfriedungen die Grenze festgesetzt werden; in derartigen Fällen geht diese Festsetzung dem Nachbarrechtsgesetz vor (§ 27 NRG).
7. Überhängende Zweige und Früchte Sowie Eingedrungene Wurzeln
Jeder Grundstückseigentümer kann verlangen, dass die vom Nachbargrundstück auf sein Grundstück herüberhängende Zweige, soweit sie die Benutzung seines Grundstücks beeinträchtigen, an der Grenze abgeschnitten werden (§ 910 BGB). Bei Obstbäumen und Bäumen an öffentlichen Wegen ist dieses Recht allerdings eingeschränkt; die Beseitigung herüberragender Zweige kann auf die gesamte Höhe des Baumes nur dann verlangt werden, wenn das betroffene Grundstück entweder erwerbsgartenbaulich genutzt wird oder die Zweige auf einen Hofraum oder ein Gebäude hereinragen; im übrigen kann die Beseitigung der Zweige nur bis zur Höhe von 3 m gefordert werden (§§ 23, 25 NRG).
Wenn dem Eigentümer des Baumes eine angemessene Frist gesetzt wurde und er seiner Verpflichtung zum Zurückschneiden nicht rechtzeitig nachgekommen ist, kann der Eigentümer des betroffenen Grundstücks diese selbst abschneiden und behalten.
Die Früchte eines Baumes oder Strauches, die auf ein Nachbargrundstück fallen, gehören dem Eigentümer des Nachbargrundstücks (§ 911 BGB); allerdings darf der Nachbar die Früchte nicht von herüberragenden Zweigen pflücken oder schütteln. Solange die Früchte mit dem Baum verbunden sind, gehören sie dem Eigentümer des Baumes.
Wenn Wurzeln eines Baumes in ein Nachbargrundstück eingedrungen sind, kann der Eigentümer dieses Grundstücks sie grundsätzlich an der Grenze abtrennen und behalten; Einschränkungen bestehen jedoch bei Grundstücken in Innerortslagen sowie für die Eigentümer eines Obstbaumgutes; in diesen Fällen können die Wurzeln nach § 24 NRG nur dann beseitigt werden, wenn dies zur Herstellung oder Unterhaltung eines Weges, eines Grabens, einer Leitung oder einer baulichen Anlage erforderlich ist. Die in sein Grundstück eingedrungenen Wurzeln eines Baumes an einem öffentlichen Weg darf der Eigentümer des Nachbargrundstücks darüber hinaus nur dann beseitigen, wenn er den Eigentümer des Baumes zuvor zur Beseitigung der Wurzeln aufgefordert und dieser eine ihm gesetzte angemessene Frist nicht eingehalten hat (§ 25 NRG).
8. Benutzung fremder Grundstücke
Bereits in Abschnitt 3 wurde auf den Grundsatz hingewiesen, dass der Eigentümer andere Personen von jeder Einwirkung ausschließen kann. Jedoch ist in nicht seltenen Fällen ein Grundstückseigentümer, meistens auf Grund der topographischen Lage, auf die Mitbenutzung von Nachbargrundstücken angewiesen. Diesem Umstand trägt das Nachbarrecht durch verschiedene Regelungen Rechnung:
1. Notwegrecht
Wenn ein Grundstück keine Verbindung zu einem öffentlichen Weg hat, die zu seiner ordnungsgemäßen Benutzung erforderlich ist, kann der Eigentümer dieses Grundstücks von dem oder den Nachbarn die Mitbenutzung zum Übergang oder Überfahrt verlangen (§ 917 BGB). Es kann aber nur die notwendige Verbindung, nicht ein bequemer oder leichter Zugang verlangt werden. Der dadurch belastete Eigentümer kann eine angemessene Geldrente verlangen. Dieses Notwegrecht kann ein Grundstückseigentümer dann nicht geltend machen, wenn er die bisherige Verbindung seines Grundstücks mit dem öffentlichen Weg durch eine Grundstücksteilung, eine Überbauung oder sonstige willkürlich Handlung beseitigt hat.
2. Leitungsrecht
Ein mit dem Notwegrecht verwandtes Mitbenutzungsrecht besteht dann, wenn ein Grundstück nur über ein anderes Grundstück an eine Versorgungs- oder Abwasserleitung angeschlossen werden kann (§ 7 e NRG). Für diese Fälle bestehen ergänzende Regelungen über die Möglichkeit des Anschlusses an vorhandene Leitungen und die Kostentragung durch die beteiligten Grundstückseigentümer. Wenn unterschiedlich hohe Gebäude unmittelbar aneinandergrenzen und es der Betrieb der Heizung oder einer Lüftungsanlage erfordert, kann der Eigentümer des niedrigeren Gebäudes Kamine oder Lüftungsleitungen an der Grenzwand des höheren Gebäudes befestigen und diese über das höhere Gebäude ? soweit erforderlich ? reinigen lassen (§ 7 d NRG).
3. Hammerschlags- und Leiterrecht
Wenn baurechtlich zulässige Arbeiten ohne Benutzung des Nachbargrundstücks, zum Beispiel durch das Aufstellen von Gerüsten oder Geräten nicht oder nur mit unzumutbaren Aufwendungen durchgeführt werden können, hat der bauende Grundstückseigentümer einen Anspruch auf Benutzung des Nachbargrundstücks (§ 7 c NRG). Die Absicht dieser Mitbenutzung, zu der zum Beispiel auch das "Überstreichen" eines Nachbargrundstücks durch einen Baukran gehört, ist mindestens zwei Wochen vorher mitzuteilen. Dem duldungspflichtigen Nachbarn ist ein eventuell entstehender Schaden zu ersetzen. Baugerüste sind ferner insoweit bevorzugt, als mit ihnen kein Grenzabstand eingehalten werden muss. Andere Gerüste müssen mindestens 0,50 m von der Grenze entfernt sein (§ 8 NRG).
4. Überbau
Im Falle der Überschreitung der Grundstücksgrenze bei Einrichtung eines Gebäudes kann der Eigentümer des durch den Überbau in Anspruch genommenen Grundstücks grundsätzlich die Beseitigung verlangen (§ 1004 BGB). Ausnahmsweise ist er zur Duldung des Überbaus verpflichtet, wenn dem Bauherrn weder vorsätzliches noch grob fahrlässiges Handeln im Hinblick auf die Grenzüberschreitung vorzuwerfen ist und der Eigentümer des überbauten Grundstücks nicht spätestens sofort nach der Grenzverletzung widersprochen hat (§ 912 BGB). In diesem Falle hat dann der Eigentümer des überbauten Grundstücks alternativ einen Anspruch auf Entschädigung durch eine Geldrente oder einen Anspruch auf Abkauf des überbauten Grund15 stückteils durch überbauenden Eigentümer (§§ 912 Abs. 2, 915 BGB).
Abweichend von diesen Vorschriften hat ein Grundstückseigentümer das Herüberragen von untergeordneten Bauteilen (z. B. Dachvorsprünge) dann zu dulden, wenn und solange diese die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen und wenn nach den baurechtlichen Vorschriften unmittelbar an die Grenze gebaut werden darf (§ 7 b NRG).
9. Feststellung des Grenzverlaufs
Grundlage für das Grundstückseigentum und die Bestimmung der beschriebenen Abstände usw. ist die sichere Festlegung der Grundstücksgrenzen. Deshalb hat jeder Grundstückseigentümer gegen den Nachbarn einen ? unverjährbaren ? Anspruch auf Mitwirkung bei der Errichtung oder Wiederherstellung fester Grenzzeichen, insbesondere Marksteine oder Grenzbolzen (§ 19 BGB).
Im Falle der Grenzverwirrung, wenn also der genaue Grenzverlauf nicht mehr festgestellt werden kann, hat jeder beteiligte Grundstückseigentümer einen Anspruch auf Festlegung der Grenze; hierbei wird in erster Linie auf die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft (Besitz) abgestellt (§ 920 BGB).
Auch in diesem Zusammenhang ist auf öffentlich-rechtliche Vorschriften hinzuweisen: Nach dem Vermessungsgesetz sind die Grenzen aller Grundstücke in Baden-Württemberg dauerhaft und erkennbar mit Grenzzeichen zu kennzeichnen; insbesondere bei Mängeln an den Grenzzeichen können die Vermessungsbehörden auch ohne Antrag eines beteiligten Grundstückseigentümers Neuvermessungen durchführen.