Ein einzigartiger Lebensraum: die Orchideenwiese
Orchideenwiesen sind wertvolle und seltene Biotope. Sie beherbergen viele faszinierende heimische Orchideen wie Ragwurzen (botanisch Ophrys) oder Knabenkräuter (botanisch Orchis), aber auch zahlreiche andere Pflanzen, beispielsweise den kleinen Wiesenknopf (botanisch Sanguisorba minor). Dabei ist jedes Orchideengebiet anders. Keines gleicht dem anderen, auch wenn die betreffenden Biotope teilweise nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegen. Ihr Pflanzenreichtum variiert stark je nach den jeweiligen Umweltgegebenheiten.
Orchideen sind einkeimblättrige Pflanzen. Mit 20000 Arten bilden sie die größte, wenn auch jüngste Pflanzenfamilie. Ihre Blüten sind achsensymmetrisch, sie tragen keine Kelchblätter. Die Kronblätter sind in zwei Kränzen angelegt: Der äußere Kranz wird aufgebaut von zwei seitlichen Sepalen, also den beiden seitlich abstehenden Blütenblättern, und dem senkrecht nach oben stehenden Blütenblatt, dem mittleren Sepalum. Der innere Kranz wird gebildet von den beiden Petalen, also den schräg stehenden Blütenblättern, und der Lippe. Bei manchen Orchideen sind die Sepalen und Petalen zu einem Perigonhelm zusammengewachsen, so zum Beispiel beim Helmknabenkraut (botanisch Orchis militaris). Mitunter ist auch die Lippe in Mittel- und Seitenlappen unterteilt und sie trägt oft eine auffällige Zeichnung.
Die Staubblätter und der Stempel sind zur sogenannten Säule zusammengefasst, der Blütenstaub ist zu Pollinien verklumpt. Bei der Bestäubung wird dieser „Klumpen“ von Insekten übertragen, auf deren Kopf die Pollinien kleben bleiben und so zur nächsten Blüte gelangen.
Wahrscheinlich aufgrund des erdgeschichtlich gesehen noch geringen Alters dieser Pflanzengruppe haben sich die Orchideen besondere Eigenschaften angeeignet, um bestäubende Insekten anzulocken. So locken die Knabenkräuter (botanisch Orchis) zwar mit Duftstoffen, ihre Blüten enthalten jedoch keinen Nektar, sie sind sogenannte Nektartäuschblumen. Ragwurzen (botanisch Ophrys) imitierend mit ihren Blüten Insektenweibchen, um die entsprechenden Männchen anzulocken, die dann mit ihren Kopulationsbewegungen die Blüte bestäuben.
Viele Orchideenblüten sind meist sehr auffällig und farbenfroh gestalten, um Bestäuber anzulocken.
Die meisten dieser der noch existierenden Orchideenwiesen stehen heute unter Naturschutz. Trotzdem werden diese einmaligen Biotope immer seltener. Das liegt nicht zuletzt an den hohen Standortansprüchen der Orchideen. So benötigen sie fast alle basische Böden, also Böden mit einem pH-Wert über 7,4. Diese Bedingung ist zum Beispiel auf Muschelkalkböden gegeben. Der Boden muss außerdem locker und nicht zu nährstoffhaltig sein.
Des Weiteren bevorzugen sie – je nach Art – Halbtrocken- oder Feuchtrasen in Südhanglage. Außerdem sind die heimischen Orchideen endotrophe Mykorrhiza-Pflanzen. Das heißt, dass sie ohne spezielle Symbiosepilze nicht dauerhaft überleben können. Meist können die staubfeinen Samen, die im Gegensatz zu den meisten Samen kein Nährgewebe besitzen, ohne diese Pilze noch nicht einmal keimen. Die Symbiosepilze versorgen die Orchidee mit Nährsalzen und Wasser aus dem Boden, im Gegenzug erhält dieser von der Orchidee Kohlehydrate aus der Photosynthese.
Aufgrund dieser Symbiose lohnt sich das Ausgraben von wilden Orchideen aus der Natur auch nicht: Der Symbiosepilz fehlt in den meisten Fällen im Garten, die Orchidee geht unweigerlich zugrunde. Will man also ein Beet mit heimischen Orchideen im Garten anlegen, sollte man besser auf widerstandsfähigere Züchtungen und Hybriden aus dem Handel zurückgreifen, da diese wesentlich robuster sind und besser mit den Bedingungen im Garten zurechtkommen.
All diese Ansprüche schränken den Lebensraum stark ein. Doch auch die schon vorhandenen Gebiete werden oft durch Landwirtschaft, sich ausbreitende Infrastruktur und Verbuschung gefährdet:
Durch die Dünger und Pestizide, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, wird der Lebensraum bedroht. Stickstoffhaltige Pflanzen wie Weißklee (botanisch Trifolium repens), die als Gründünger eingesetzt werden, unterwandern die für die Biotope typischen Pflanzen und erhöhen den Stickstoffgehalt im Boden, was dazu führt, dass der Lebensraum der Orchideen weiter eingeengt wird.
Auch die Verbuschung gefährdet die Biotope: Pflanzen wie Hartriegel (botanisch Cornus) breiten sich schnell aus, nehmen den Orchideen Licht und reichern den Boden mit Nährstoffen an. Um dem vorzubeugen, müssen die Wiesen jeden Herbst gemäht werden. Früher war dies nicht nötig, da die Wiesen Weidegründe für Schafe und Ziegen waren, die die heranwachsenden Büsche abfraßen. Da die Wiesen heute jedoch nicht mehr genutzt werden, ist die jährliche Mahd unabdingbar, um die Artenvielfalt zu erhalten.
Abschließend bleibt festzustellen, dass Orchideenwiesen wertvolle Biotope mit einer faszinierenden Vielfalt sind und deshalb unbedingt schützenswert sind. Sie bieten nicht nur einigen der schönsten Blütenpflanzen, sondern auch seltenen Tieren wie dem goldenen Scheckenfalter (lateinisch Euphydryas aurinia) Lebensraum.
Viele Orchideengebiete werden heute vom AHO (Arbeitskreis heimischer Orchideen) gepflegt und damit auch für die Nachwelt erhalten.
-jsch-
Weitere Informationen und Bilder gibt es im Pflanzenmagazin Ausgabe 3/2010 Seite 50-51
zeitung/pflanzen-magazin-03.html