Risse im Stamm - Ahorn

 
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Risse im Stamm - Ahorn

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Gepostet: 23.03.2020 - 18:25 Uhr  ·  #1
Hallo zusammen,

ich habe in meinem Garten einen (?evtl. wildgewachsenen?) Ahorn. Welche Art kann ich Euch leider nicht sagen. Er ist knapp 10m hoch, relativ schmal aufgrund des Platzmangels, aber sieht sehr gesund aus und gedeiht jedes Jahr wunderbar.
Allerdings hat er Risse im Stamm auf ca. 1m Höhe. Ich war schon vor 2 Jahren im Fachgeschäft und man hat mir Baumwachs empfohlen. Diesen habe ich dann wie angegeben angewendet, aber die Risse sind nach wie vor da bzw. bilden sich neue "zwischen" dem Baumwachs (siehe Bilder).
Dem Baum geht es zwar optisch super, aber trotzdem wollte ich bei den Experten hier nachfragen, was ich tun kann oder ob ich vielleicht sogar gar nichts unternehmen muss.

Vielen Dank vorab und viele Grüße aus dem schönen Rheinhessen
Lukas
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Re: Risse im Stamm - Ahorn

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Gepostet: 01.06.2020 - 08:42 Uhr  ·  #2
Hallo Lukas

der Rinde nach hast Du einen Acer platanoides (Platanenblättriger oder Spitz-Ahorn) sofern er sehr große Blätter hat.
Bei älteren Bäumen wird dann die Borke rissig, ähnlich den Eichen.

Bei dem Schaden handelt es sich um einen Frostriss
Die entstehen, wenn am Winterende die Tage schon wärmer und die Nächte noch sehr frostig sind.
Die Sonnen zugewandten Seiten, meist die südwestlichen, erwärmen sich infolge stark. Ist die Sonne untergegangen kühlt die Luft schnell stark ab und sinkt wieder unter den Nullbereich.
Das führt dann zu starken Oberflächenspannungen in der Rinde zwischen den kalten Bereichen und denen die noch Wärme gespeichert haben. Wird die Spannung zu groß reisst die Rinde. Ist die Rinde nach klaren Tagen und eventuell noch Wind ziemlich ausgetrocknet, fehlt ihr zusätzlich die Elastizität, wie bei einem alten spröden Ledermantel - unter Belastung gibt es Risse.
Davon sind mehr jüngere als alte Bäume betroffen, vor allem die, die artbedingt, keine dicke isolierende Borke über der aktiven Rinde entwickeln.

Schutzmaßnahmen:
*Stamm mit einem Kalk-Leim-Gemisch streichen. Der weisse Anstrich refefleckiert das Sonnenlicht - oft an Obstbäumen zu sehen.
*Umwickeln mit einer Strohmatte oder ein Jute-Verband.

Dein Baum versucht bereits den Riss durch vermehrtes Wachstum zu schliessen. Zu erkennen an dem braunen Wulst auf der linken Stammseite (Bildmitte) und im oberen Rissbereich der Doppel-Wulst.

Behandlung
-Baumwachs hilft da nicht-
Entferne vorsichtig mit einem scharfen Messer die gelöste abgestorbene Rinde. Wenn dabei das Baumwachs mit abgeht - ok, aber muss nicht extra entfernt werden.
Kannst Du danach bis auf den ungeschützten Stamm (Splintholz) sehen, dann streiche diese Bereiche ohne Rinde mit einem Holzschutzmittel (für den Aussenbereich, am besten eins mit Fungizid) zur Pilzabwehr.

Es ist grad die richtige Zeit, um den Zuwachs zu beschleunigen.

Sobald das Holzschutzmittel abgetrocknet ist, ziehst Du mit einem sehr scharfen Messer (Gärtnerhippe, Veredlungsmesser oder Teppichmesser mit gebogener Klinge) eine Schnittlinie im neuen Rinden-Wulst, parallel der alten Rinde von oben nach unten. Ein bis zwei Millimeter tief mit etwa drei bis fünf Millimeter Abstand zur alten Rinde.
Falls der Rinden-Wulst breit genug ist, kannst Du 10 mm parallel zum ersten Schnitt einen weiteren machen und evt. einen dritten. Das regt die Kallusbildung an und bewirkt einen schnelleren Zuwachs.
Der Vorteil überwiegt eindeutig die Möglichkeit der Einbringung von Pilzsporen in den Schnitt.
Besonders Vorsichtige können vor dem Schnittziehen den Bereich großzügig mit Spiritus nass abpinseln.
...dabei nicht rauchen
Gärtner*in
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Re: Risse im Stamm - Ahorn

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Gepostet: 10.06.2020 - 18:00 Uhr  ·  #3
Hallo Doktor Huh,

vielen Dank erstmal für Deine ausführliche Antwort. Ich hab´s leider erst eben gesehen, da ich länger nicht mehr im Forum war und die Mail auch erst eben ankam.

Sehr große Blätter hat der Baum für einen Ahorn, ca. so groß wie eine Hand.
Die Frostrisse zeigen in Richtung Südsüdost, das würde also ziemlich passen.

Muss man die Frostrisse unbedingt behandeln bzw. können die dem Baum größere Probleme bereiten? Könnte ich die Schnittlinien auch ohne Holzschutzmittel ziehen oder ist die Gefahr zu groß, dass sich dort dann Pilze ansammeln?
Eine Verständnisfrage hätte ich auch noch: Wo liegt denn der Unterschied zwischen Wulst und Kallus? Besteht der Wulst aus Kallus, also ist Kallus das „einzelne Gewebe“?

Viele Grüße Lukas
Hauptgärtner*in
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Re: Risse im Stamm - Ahorn

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Gepostet: 11.06.2020 - 15:49 Uhr  ·  #4
Hallo Lukas

Ahorn-Holz ist nicht pilzresistent.

Ein Baum hat auch eigene Optionen sich gegen Verletzungen & Pilzbefall zu wehren.
Frostrisse gehören eher nicht dazu - War es doch in der Millionen Jahren Entwicklung egal, ob am Wald- oder Lichtungsrand ein Exemplar früher abstirbt oder nicht.
Das Problem Frostrisse entstand erst mit der Kultivierung der Bäume für Obstwiesen, Parks und Straßen…
Frostrisse behandeln oder nicht, ist auch eine subjektive Frage - Ist mir der Baum wichtig oder nicht.
Bei Nichtbehandlung bleibt abzuwarten, wer schneller ist - der Wundzuwachs oder der Pilz.

Tatsache bleibt, die Rinde schützt das darunter liegende Splint-Holz auch vor äusseren Einwirkungen wie Temperatur, Sonnenstrahlung, Insekten und Pilzsporen.
Fehlt diese, ist weiterer Schaden vorprogrammiert.
Hat ein oberflächlicher Pilzbefall schon stattgefunden, muß dieser gestoppt werden, sofern der Baum länger erhalten werden soll.

Ausserdem neigen „nicht abgebohrte“ (abgerundete) Risse dazu, wie in anderen Materialen auch, immer länger zu werden.

Die Wulste sind durch vermehrtem Rinden-Wachstum entstanden und ist die natürliche Reaktion des Baumes auf Wunden.

Kallus-Bildung kennen wir im medizinischen Bereich - das Zuwachs-Gewebe bei einem Knochenbruch, welches nach der Bruchschliessung in festere Strukturen umgewandelt wird - aber vor allem im Botanischen Bereich (siehe Wiki)

Kallus wird mit Hilfe des Kambium gebildet.
Das ist die „schleimige Substanz“ unter der Rinde, zwischen Splint-Holz und lebender Rinde, die in zwei Richtungen arbeitet.
Nach Innen, zum Stamm hin, werden Holzzellen und somit der Jahresring gebildet und nach Aussen neues Rinden-Gewebe mit Saftbahnen, in denen der Assimilat-Transport von den Blättern zu den Wurzeln statt findet.

Der Kallus wird aus dem Kambium und unverletzter Randzellen an der Risskante gebildet und führt zu einer intensiven Zellteilung - was wir als vermehrtem Breiten-Wuchs wahrnehmen.
Der Kallus eine Zusammensetzung/Gemisch aus Zellen, die keine vorgegebener Wachstumsrichtung aufweisen aber das Vermögen haben, ständig neue Zellen zu bilden.
In diese neuen Zellen wird durch anschliessendes Einlagern von Ligninen (siehe Wiki, wer mehr über Lignin wissen möchte) die Verholzung bewirkt.

Fehlt die Rinde, trocknet das Kambium binnen weniger Stunden in diesem Bereich und stirbt ab.

Durch das Rinden-Ritzen schaffe ich eine neue zusätzliche Kante mit Randzellen, mit dem das Kambium interagieren kann.

Es ist vergleichbar mit einer zu streichenden Wand:
Arbeitet einer von der linken Seite aus und einer von der rechten geht es zügig voran - Streichen noch zwei weitere aus der Mitte raus zu den Seiten… geht es viel schneller.

Solltest Du den Schaden behandeln wollen, dann erst die abgestorbene Rinde ablösen, alles mit einer Drahtbürste ein wenig reinigen und Foto machen - dann sehen wir weiter - Fungizidhaltige Lasur brauchst Du bis hier nicht…

Doktor Huh grüsst zurück
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Krankheit oder Schädling? Braune Blätter, kleine Tiere, was tun?
Neben den verbreiteten Schädlingen wie Blattläuse, Spinnmilben, Wollläuse, Schmierläuse, Schildläuse, Thripse, Weiße Fliege und Trauermücken gibt es auch häufige Pilzerkrankungen wie echten und falschen Mehltau, Rost und Schimmel, die zu Flecken und Schäden an der Pflanze führen. Neben den chemischen Mitteln wie Insektizide und Fungizide gibt es auch oft gute Hausmittel zu Bekämpfung der Krankheiten oder Schädlinge. Ein optimaler Standort bezüglich Licht und Boden, die richtige Erde oder ein neues Substrat sowie regelmäßiges Düngen können eine Pflanze stärken und unanfälliger gegen Schädlingsbefall und Krankheiten machen.

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