Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

 
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Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 19.10.2011 - 16:12 Uhr  ·  #1
Bestattungskultur im Wandel

Die Jahrtausende alte Bestattungskultur befindet sich derzeit im Wandel. Die Gründe dafür sind vielfältig: Individualität, Flexibilität und Mobilität der Menschen nehmen zu, traditionelle Familienstrukturen zerfallen und die Schere zwischen Arm und Reich wird größer. Erdbestattungen im Sarg und Gräber mit Blumen und Grabsteinen werden immer seltener und häufig abgelöst durch andere Bestattungsformen. Urnengräber und zunehmend auch Kolumbarien gewinnen an Bedeutung. Im Jahr 2010 sind 46 Prozent* der Verstorbenen in Deutschland verbrannt worden. Anders als in früheren Zeiten ist seit einigen Jahren die anonyme Beisetzung gefragt: Auf speziellen Gräberfeldern, in Friedwäldern, in Form traditioneller Seebestattungen oder durch Verstreuen der Asche. Auch das Kremieren der Leichen im benachbarten Ausland ist inzwischen keine Seltenheit mehr. Die Asche der Verstorbenen kann anschließend nach eigenen Vorstellungen „beigesetzt" werden: im Garten, auf der Fensterbank oder im Schrank. Es besteht auch die Möglichkeit, sie zu einem Diamanten zusammenpressen zu lassen.

Überangebot
In diesem Wandlungsprozess verliert der Friedhof seinen Stellenwert. Die Städte und Gemeinden brauchen keine Erweiterungsflächen. Vielerorts kommt es sogar zu einem Überangebot an Friedhofsflächen und alten Friedhöfen. Allein in Deutschland müssen in den nächsten Jahren für Hunderte Friedhöfe neue Wege gefunden werden. An der Hochschule Osnabrück wird nun innerhalb eines durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) geförderten Projekts wissenschaftlich untersucht, was man mit alten Friedhöfen nach ihrer Entwidmung machen kann. Als Beispiele dienen zwei Osnabrücker Friedhöfe von 1808, der Hase- und der Johannisfriedhof. Beide werden zum Ende des Jahres 2015 entwidmet.

Grünanlagen
Ein durchaus überraschendes erstes Ergebnis besteht darin, dass es in diesem Zusammenhang kaum wirklich befriedigende Lösungen gibt. Selbst der „Königsweg", ehemalige Friedhöfe in Parks umzuwandeln, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als problematisch. Vielerorts verkommen diese „neuen Parks" zu ungepflegten Freiräumen: Grabsteine werden beschmiert und umgekippt, Drogen konsumiert, Müll wird hinterlassen. Hundebesitzer lassen ihre Tiere trotz Leinenzwang frei laufen. Die Angehörigen der Begrabenen und Kulturinteressierte trauen sich hier oft nicht mehr her.

Konzept für Pflege und Nutzung
Viele Beispiele in Deutschland (wie der Überwasser-Friedhof in Münster, der Albani-Friedhof in Göttingen oder der St.-Petri-Friedhof in Braunschweig u.v.m.) machen es deutlich: Die schlichte Umwidmung in eine Grünanlage geht oft mit einem großen Verlust bezüglich Grabmalen, Wegeführung, Pflanzenbestand etc. einher. Die ehemaligen Friedhöfe werden vielerorts nicht mit dem nötigen Respekt behandelt. Der Alte St.-Nikolai-Friedhof in Hannover etwa hat heute keine Abgrenzung mehr. Eine viel befahrene Straße führt mitten hindurch. Ein großer Teil seiner wertvollen Substanz ist verloren. Dies sind alles Gründe dafür, dass bereits vor der Entwidmung eines Friedhofs ein Konzept für die Zukunft der Fläche vorliegen sollte - sowohl für die Pflege als auch für die Nutzung.

Neues Modell
Um die notwendigen Informationen zu sammeln, ist die Hochschule Osnabrück bei ihrem wissenschaftlichen Projekt in besonderem Maße auf eine Diskussion mit Interessierten und Betroffenen angewiesen. Während der Beschäftigung mit dem Thema wurde immer deutlicher, wie gravierend die Frage nach der Zukunft ehemaliger Friedhöfe eigentlich ist und dass sie viele Menschen berührt. Deshalb soll jetzt ein Modell entwickelt werden, das tendenziell überall umgesetzt werden kann. Vielleicht müssen ganz neue Formen eines Friedhofswesens entstehen. In diesem Zusammenhang kann man evtl. auch von der jüdischen und muslimischen Friedhofskultur lernen: Dort sind Grabstätten Orte der Ewigkeit und das Andenken der Verstorbenen bleibt in gewisser Weise dauerhaft präsent. Warum müssen bei uns alte Grabstätten immer vollständig abgeräumt werden? Warum kann nicht Name und Lebensspanne sichtbar bleiben?

GPP
2583-Hasefriedhof.jpg
2583-Hasefriedhof.jpg (72.31 KB)
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Der Osnabrücker Hasefriedhof soll zum Ende des Jahres 2015 entwidmet werden.
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2583-Begräbnisstätten.jpg (63.74 KB)
2583-Begräbnisstätten.jpg
Interessante Begräbnisstätten aus aller Welt zeigt die Seite www.friedhof-ansichten.de.
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 23.10.2011 - 11:21 Uhr  ·  #2
In Hannover hat die Idee, einen alten Friedhof zu einer Grünanlage (Park) umzuwandeln in mindestens 2 Fällen geklappt , wobei auch die alten Grabsteine erhalten blieben, was ich persönlich sehr gut finde.
Allerdings wird der eine (Bergfriedhof) von Helfern in Ordnung gehalten und ist demzufolge wunderschön.

Ich halte die Idee (Park) für gut, erstens gibt´s in den Städten wenig "Grün", die Städter sind dankbar für solche ruhigen Stätten, und ich könnte mir vorstellen, dass es Anklang findet. Die Ruhe der Toten wäre für immer gewahrt.

Zweitens könnte man bei der Durchführung dieses Projektes Arbeitsplätze schaffen indem man für die Instandhaltung Personen einstellt.

Wie es in anderen Städten läuft, ist mir unbekannt.

LG Gerda
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 23.10.2011 - 11:45 Uhr  ·  #3
Also, ich finde, dass es eine sehr gute und auch schöne Idee ist!
Ich denke, gerade in Großstädten kommt das gut an. Ein Park der Ruhe, Stille
und des Gedenkens mit viel grün!

Und wenn nebenbei noch Arbeitsplätze entstehen,
besser geht es doch nicht!
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 23.10.2011 - 20:46 Uhr  ·  #4
Gibts hier schon: ein uralter Friedhof, mitten in der Stadt und gut gepflegt.
Ein Ort der Ruhe und des Friedens: der Golzheimer Friedhof.
Dort stehen auch noch die uralten Grabsteine.
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 23.10.2011 - 20:49 Uhr  ·  #5
Hier auf dem Land hinken die noch etwas hinterher

Schade eigentlich!
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 23.10.2011 - 21:09 Uhr  ·  #6
Bei mir im Heimat Ort ist der Geamte Kirchhof ein Friedhof gewesen, heute liegen da nur noch 2 Grabplatten aus dem Jahre 1000 oder so.
So wie das da Heute Aussieht mit Großen Linden eingefasst ist das ein Ort der ewigkeit.
Daumen Hoch.
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 24.10.2011 - 09:38 Uhr  ·  #7
In Bielefeld haben sie auch einen wunderschoenen alten Friedhof,mittem im Zentrum!
Ist nicht wirklich gross,aber wunderschoen und ueber das ganze jahr siehst Du viele aeltere Menschen dort sitzen und sich unterhalten!Finde ich toll...
Pflanzendoktor*in
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 24.10.2011 - 10:04 Uhr  ·  #8
Wenn es hier so etwas geben würde, wäre ich auch öfter mal da.
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 24.10.2011 - 13:22 Uhr  ·  #9
Eine gelungene Lösung ist auch das weitläufige Frezeitgelände "Alter Friedhof" in Wiesbaden, mitten in der Stadt, viel genutzt mit reichlich Angeboten für Kinder (und trotzdem wirklich idyllisch..):

http://www.wiesbaden.de/leben-…iedhof.php
Pflanzendoktor*in
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 24.10.2011 - 16:35 Uhr  ·  #10
Hallo Ihr
auf dem Lindener Bergfriedhof ist jedes Jahr "Das Blaue Wunder" zu bestaunen. Nahezu der ganze alte Friedhof ist übersät mit blauen Scilla-Blüten. Damit Ihr mal sehen könnt, wie schön das aussieht, hier ein Link
{KLICK MICH]

Leider hört man vom jüdischen Friedhof mitten in der Stadt Hannover nichts Gutes. Dort wird immer wieder Dreck abgeladen, oder die uralten Steine werden bemalt oder umgestoßen. Und er wurde "auseinandergerissen" durch Straßen, sehr schade

LG Gerda
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Re: Neue Nutzungsmöglichkeiten für alte Friedhöfe gesucht

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Gepostet: 24.10.2011 - 21:23 Uhr  ·  #11
Ja Gerda das mit dem Jüdischen Friedhof ist schon schei**, bei uns war in der letzten Woche ein Augenzeuge aus meinem Ort der von hier Vertrieben wurde und während des Krieges nach England geflüchtet ist. Eine echt grausige Geschichte, es ist mal was anderes als es immer wieder wo zu Lesen oder zu Hören von welchen die das auch nur gelesen haben.

Aber wenn man mal weiter denkt wenn sich jetzt mehr und mehr Verbrennen lassen wird es dann nicht irgendwann zu "unrentabel" für die Gemeinden einen richtigen Friedhof zu haben?
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