Blumen als individuelle Metaphern

 
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Blumen als individuelle Metaphern

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Gepostet: 01.03.2007 - 11:20 Uhr  ·  #1
Friedhöfe erzählen Geschichte(n).
Blumen als individuelle Metaphern


Es ist, als würde man eine andere Welt betreten, lässt man das Tor zum Friedhof hinter sich. Eine Welt, in der die Vergangenheit lebt, gesäumt von immergrünen Hecken, gefüllt mit vielen Geschichten und reichlich Blumen, die da ansetzen, wo Worte stolpern, fallen oder fehlen. Ein Friedhof ist ein Ort für die Toten und für die Lebenden, ein Ort der Erinnerung, an dem Trauer erlebt und verarbeitet werden kann. Mit einem gepflegten Grab macht man die Einmaligkeit eines Verstorbenen deutlich. Durch die Wahl des passenden Grabschmuckes kann diese Einzigartigkeit betont werden. So sieht es auch Harald G.: Auch nach ihrem Tod schenkt er seiner Frau am Hochzeitstag rosafarbene Nelken. Mittlerweile kann er dabei wieder lächeln. ?Noch heute fühle ich den Schweiß auf meinen Händen, die ängstliche Ungeduld, geschniegelt und gebügelt, wie ich war. Wir wurden von ihren Eltern erwartet, fast 50 Jahre ist das jetzt schon her. Ich habe ? ganz traditionell ? um die Hand meiner Frau angehalten... Blumen waren natürlich auch dabei. Die rosafarbenen Nelken waren ganz zerdrückt und zitterten nicht weniger als ich selbst!? Seitdem war diese zarte Pflanze das Sinnbild vieler gemeinsamer glücklicher Jahre. ?Ich bin sicher, meine Frau schmunzelt, wenn ich sie jedes Jahr durch die Blume daran erinnere, was für ein unbeholfenes Nervenbündel ich damals war?, meint Harald augenzwinkernd.



Symbolsprache gegen das Vergessen
Floraler Grabschmuck hat eine lange Tradition, schon in der Antike wurden Gräber üppig mit Blumen geschmückt. Die Römer ließen für das so genannte Rosenfest sogar eigene Rosenfelder anlegen, um die Gräber ihrer Toten anlässlich des Festtages mit unzähligen Rosen versehen zu können. Auch heute sind es gerade bestimmte Festanlässe, zu denen kollektives Totengedenken stattfindet. In Deutschland sind Allerheiligen, Allerseelen und Totensonntag traditionelle, religiös motivierte Gedenktage. Am Palmsonntag schmücken Gläubige die Gräber ihrer Verstorbenen mit geweihten Palmzweigen, als Zeichen der Auferstehungshoffnung. Viele auf Friedhöfen verwendete Pflanzen haben eine über Jahrhunderte gewachsene, kulturelle Bedeutung. Von der Antike bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Friedhofsflora vor allem von Nutzbäumen bestimmt, deren Ertrag für den Pfarrer, Mesner oder Totengräber bestimmt war. Doch auch schon da sprachen die Bäume ihre eigene Sprache: Der Apfelbaum redete vom Sündenfall, die Kirsche vom Paradies, der Nussbaum galt als Zeichen für Leib und Seele und Wacholder sowie Holunder gewährten den Verstorbenen Schutz vor bösen Mächten. Immergrüne Pflanzen stehen bis heute als Symbol für ewiges Leben, die Lilie ist ein Zeichen für Unschuld und Reinheit, die Ringelblume verkörpert den Schmerz der Hinterbliebenen, Mohn ist ein Sinnbild des sanften Todes. Mimose und Sonnenblume sind dafür bekannt, dass sie sich nach der Sonne drehen und stehen daher für die sich Gott zuwendende Seele.

Die Hand reichen
Die meisten Blumengrüße sprechen aber eine persönliche Sprache, sei es die Rose zum Geburtstag oder die Lieblingsblume zum Todestag. ?Ich verstehe Blumen als Botschafter zwischen meiner Frau und mir?, erklärt Harald G., ?sie hat ihren Garten geliebt, und jede Blume, die ich ihr bringe, erinnert mich an sie: Die Sonnenblume an ihr Lächeln, die eingepflanzten Beetrosen an ihre Anmut und das Gänseblümchen an gemeinsame Fahrten ins Grüne.? Die stille Zwiesprache am Grab eines Verstorbenen drückt Verbundenheit aus und Blumen sprechen besonders leise, zart und nachdrücklich. Eine besondere Bedeutung hat für Harald G. der Efeu, der die Ruhestätte seiner Frau bedeckt. ?Ihr Lieblingsbuch war Tristan und Isolde?, meint er, ?da gibt es eine schöne Szene: Nach dem Tod der beiden ließ der König sie an zwei entgegengesetzten Seiten der Kirche begraben, um sie im Tod zu trennen. Da begannen an den Gräbern Efeustöcke so hoch zu ranken, dass sie sich über dem Dach begegneten. So vereinte der Efeu die Liebenden über den Tod hinaus.?
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Harmonisch umrankt eine Kletterhortensie den nostalgisch anmutenden Grabstein aus dem vorletzten Jahrhundert. Die Blätter verfärben sich im Herbst in ein leuchtendes Gelb-Braun.
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Sie ist DAS Zeichen für Liebe, Leben und Leidenschaft, auch über den Tod hinaus. Im Christentum ist sie auch das Zeichen der frühchristlichen Märtyrer und die Blume der Heiligen Maria.
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