Hallo,
wo anfangen?
einer der Gründe, warum so viel Zierpflanzenproduktion aus Deutschland ausgelagert ist sehe ich in der Zulassung der gut und lang anhaltend wirkenden Hemmstoffe im Ausland (ich kann nur das Wachstum hemmen, stauchen, d. h. zusammendrücken kann ich eine Pflanze nicht).
Die Kunden kaufen nur niedrige, kompakte Pflanzen. Das ist auch richtig so, denn eine "gut" kultivierte Pflanze (d. h. angemessenes Verhältnis zwischen Licht, Temperatur und Nährstoffversorgung) ist ihrer genetischen Eigenschaften entsprechend eher kurz, stabil, gut verzweigt (von Schlingern mal abgesehen). Deshalb war früher die Kompaktheit durchaus ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Durch den Einsatz der Hemmstoffe kann ich mit mehr Dampf kultivieren und die Pflanzen bleiben trotzdem kurz. Die Qualität der Pflanzen ist dann meiner Meinung nach deutlich schlechter, es wird aber durch den Hemmstoffeinsatz verdeckt, zumindest für den Normalkunden. Ich sehe es den Pflanzen durchaus an ob sie aufgrund der Kuilturbedingungen kurz sind oder durch Hemmstoffeinsatz. Da inzwischen sehr viel, auch im Sommerblumenbereich gehemmt wird, kaufe ich kaum noch was. Dieses Jahr hatte ich Semperflorensbegonien die bis Ende Juni brauchten bis ein normales Wachstum einsetzte. Stiefmütterchen werden derart gnadenlos kurzgespritzt dass es mir bei ihrem Anblick tatsächlich graust. Man könnte sie auch durch entsprechende Kulturbedingungen kurz halten, so ist es aber billiger, also gibt es nur noch solche. Es ist auch für Transport und Handel angenehmer wenn sie künstlich und anhaltend gebremst sind. Pflanzen ohne Hemmung werden beim Transport im LKW und beim Stand im Etagenwagen im Handel auch ganz schnell lang (das ist wie mit der Echten Frischen Milch, leicht verderbliche Produkte gehören abgeschafft).
Dann gibt es noch Produkte die man ohne Hemmstoffe nicht anbeiten könnte. Dazu gehört das kompakte Rantonettibäumchen, die großblütige Topfchrysantheme, die kompakten Flammenden Käthchen, Hängegeranien und Hibisken, Minipoinsettien.
Problematisch finde ich das bei den neuerdings angebotenen kurzgespritzten Stauden, die ja als winterhart angeboten werden. Da wundert man sich im nächsten Jahr, wenn das kompakt gekaufte Pflänzchen loswächst.
Die kugeligen Topfchrysanthemen sind übrigens (teilweise) natürlicherweise so. Man darf im nächsten Jahr halt nicht vergessen sie Ende Juni nochmal zu stutzen, dann sehen sie jetzt aus wie frisch gekauft.
Mein Fazit: Der Einsatz von Hemmstoffen ermöglicht es Produkte anzubieten die das Sortiment erweitern und hilft auch etliche Pflanzenarten in einer optisch ansprechenderen Qualität anzubieten (ohne gäbe es bei der Vermarktung von Hängegeranien z. B. nur Bruch, bei Weihnachtssternen gab es mal eine Sorte die von sich aus sehr kompakt wuchs, aber sehr empfindlich gegen Wurzelkrankheiten war). Allerdings: es wird inzwischen gnadenlos übertrieben und bei so manchem was da in den Märkten steht drängt sich bei mir der Gedanke an Betrug am Kunden auf (aber das ist ja nicht nur im Bereich des Hemmstoffeinsatzes so).
Grüße H.-S. (der bedauert dass der deutsche Berufstand des Gärtners so vor die Hunde gegangen ist)