Schädlinge nutzen Botschaften an Pflanzen zu ihrem Vorteil

 
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Schädlinge nutzen Botschaften an Pflanzen zu ihrem Vorteil

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Gepostet: 04.07.2012 - 07:11 Uhr  ·  #1
Schädlinge nutzen Botschaften an Pflanzen und verändern das Erbgut

Die Kommunikation von Tieren, sowohl zwischen Pflanzen und Tieren als auch von Tieren untereinander ist deutlich komplexer, als wir uns das bisher in unseren kühnsten Träumen vorstellen konnten.


Raupen hinterlassen Botschaften für die folgende Generation

Grüne Mailbox - Erbgutverändernde Nachrichten für kommende Generationen

Tiere können Pflanzen als "grüne Mailbox" also als Briefkasten für wichtige Botschaften nutzen. Bekannt wurde das bei der Beobachtung von Raupen. Sie hinterlassen beispielsweise an Salatblättern Botschaften, durch die sie erkennen können, dass sie bereits an diesen Salatblättern gefressen hatten. Das erinnert ein wenig an diverse Schmierereien, die bestimmte Menschen gerne an Fassaden und Türen hinterlassen. Doch während die menschlichen Schmierereien spätestens mit der Reinigung oder dem Einbau einer neuen Tür verschwinden, ist das bei den Raupen ganz anders. Niederländische Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Schädlinge diese Information so fest in das Erbgut und den die Pflanzen umgebenden Boden einprägen, dass an gleicher Stelle nachwachsende Pflanzen die Botschaft noch immer in sich tragen.

Raupen hinterlassen solche Botschaften nicht aus narzisstischen Gründen. Hier geht es darum, die Pflanzen so zu verändern, dass sie sich nicht gegen Fressfeinde der eigenen Gattung wehren. Im Versuch konnten Wissenschaftler nachweisen, dass Raupen und andere Schädlinge die chemische Zusammensetzung der von ihnen besuchten Pflanzen über Generationen hinweg zu ihren Gunsten verändern können. Eine Pflanze kann beispielsweise durch die Manipulation einer Raube weniger Alkaloide produzieren. Auf diese Weise wird sie für zukünftige Raupengenerationen deutlich verträglicher.

Jede Botschaft hat ihre eigene Sprache

Den Forschern ist es außerdem gelungen, die Botschaften von Insekten zu entschlüsseln und ihre Sprache in Teilen zu erkennen. Insekten kommunizieren demzufolge mit Hilfe von bestimmten Pilzkulturen. Diese verändern den Boden und beeinflussen so das Wachstum und die chemischen Verbindungen aller Pflanzen, die zukünftig an dieser Stelle wachsen werden. War eine Pflanze beispielsweise von einem Schädling betroffen, der es auf ihre Blätter abgesehen hatte, so wird durch die Manipulation der Insekten die Produktion giftiger Alkaloide reduziert. Blätter und Triebe werden bekömmlicher. War die Pflanze von einem Wurzelschädling befallen, so verändert sich bei der nachwachsenden Pflanze die Zusammensetzung der Alkaloide, nicht aber die Menge. Auf diese Weise sind die Wurzeln für nachfolgende Wurzelfresser deutlich interessanter.

Kommunikation unter Insekten

Es scheint, dass alle Lebewesen auf unterschiedliche Arten miteinander kommunizieren. Bei Insekten funktioniert diese Kommunikation über chemische Botschaften. Doch jeder Vorteil hat auch seinen Nachteil. So gibt es eine ganze Reihe von Tieren und Pflanzen, die sich in diese Kommunikation zum eigenen Vorteil einklinken können. Vor allem Duftstoffe sind beliebt, um Geschlechtspartner anzulocken oder Insekten in die Falle zu tappen zu lassen. So machen sich Orchideen zum Beispiel die Liebeslust verschiedener Insekten zunutze. Sie produzieren keinen Nektar, dafür aber Pheromone, vor allem solche, die üblicherweise von Weibchen freigesetzt werden. Betörte Männchen fliegen voller Eifer zu den duftenden Artgenossinnen und finden nur nektarlose Orchideen. Noch immer unbefriedigt machen sie sich nach Erkennen ihres Irrtums wieder von dannen, nicht ohne die die Pollen der Orchideen in Umlauf zu bringen. Sie sehen, auch Pflanzen nutzen vielfältige Möglichkeiten um ihre Ziele zu erreichen.

Kommunikation unter Pflanzen

Nicht nur tierische auch pflanzliche Lebewesen kommunizieren miteinander. Es sind vor allem die Biochemiker, welche die "Sprache der Pflanzen" immer besser verstehen. Der Signalabtausch von Pflanzen erfolgt über chemische Botenstoffe oder über die Wurzeln. Hier sind es vor allem Pilze und Bakterien, die die Kommunikation zwischen den Pflanzen ermöglichen.

Im Bereich der chemischen Kommunikation gibt es immer neue Erkenntnisse. Vor allem über das Hormon Ethylen, welches den Reifeprozess von Früchten fördert, sind Forscher sehr genau im Bilde. Es ist ganz genau bekannt, an welchen Rezeptoren die einzelne Pflanze das Hormon Ethylen wahrnehmen kann. Wenn man diese Rezeptoren blockiert, wird der Reifeprozess der Früchte deutlich verlangsamt. Ein solcher Eingriff ist vor allem beim Handel mit Tomaten, Bananen und Südfrüchten von wirtschaftlichem Vorteil.

Moderne Schädlingsbekämpung

Moderne Anbaumethoden und Schädlingsbekämpfungen machen sich diese neuen Erkenntnisse zunutze. Das findet, wie bereits erwähnt, im Handel mit Früchten statt, aber auch in anderen Bereichen von Anbau und Gartenwirtschaft.

So gibt es mittlerweile Methoden, Böden, Erden und Substrate so zu neutralisieren, dass zukünftige Fressfeinde das Erbgut der Pflanzen nicht mehr verändern können. Mit Hilfe von Pheromonen können gezielt Insekten angelockt und andere ferngehalten werden, was die Schädlingsbekämpfung deutlich effektiver macht. Die Wissenschaft steht hier noch ganz am Anfang spannender Erkenntnisse, mit denen Sie den Ackerbau mindestens ebenso revolutionieren wird, wir durch die Erfindung des Pflugs.
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