Guter Punkt, danke für den Link! (auch wenn Hesperis recht hat, es sind nicht so viele Infos wie man erwarten könnt)
Viele eingeführte Arten (und nicht nur langsam wachsende Bäume) brauchen über 100 Jahre, bevor sie ihr Potential entfalten. Das liegt nicht daran, dass sie erst da das erst Mal Samen bilden. Irgendwann stimmen die Rahmenbedingungen, oder die Pflanze gelangt an einen neuen Ort, der einfach perfekt ist und ab geht die Post. Mit einer größeren Ausgangspopulation ist dann die Chance, weitere geeignete Plätzchen zu finden noch größer. Brave Gartenpflanzen, die lange nur mit viel Pflege gedeihen konnten und eigentlich nie aufgefallen sind, können irgendwann völlig unerwartet "durchstarten". Bei der Fülle absichtlich und versehentlich transportierter Organismen darf man gespannt sein, wer uns in den nächsten Jahren alles beglücken wird.
Welche Arten sich letztlich werden etablieren können, ist im Vorfeld kaum zu sagen. Nicht mal das Klima des Ursprungslandes lässt sichere Rückschlüsse zu, wie
Caulerpa taxifolia, die "Killeralge", die sich derzeit massiv im Mittelmeer ausbreitet, zeigt. Sie stammt aus deutlich wärmeren Gegenden und ist zuhause brav und unauffällig. Hier war wohl eine Mutation Grundlage der heftigen Ausbreitung.
Meist fehlen natürliche Fressfeinde, Konkurrenten und Krankheiten, die die Art im Ursprungsland kontrolliert haben. Natürlich wird sich das mit der Zeit wieder finden. Vergleicht man aber etwa die Anzahl von Insekten, die an einheimischen Baumarten fressen mit der Zeit, die diese Bäume bereits im Land sind, wird deutlich, dass es viele tausend Jahre dauern kann, bis eine neue Nahrungsquelle erkannt und genutzt wird.
Auszug aus dem Buch "Die Ameise als Tramp"
Zitat
Hier wurde u.a. untersucht, wieviele Insektenarten von welchen Bäumen leben können. Sortiert wurde die Liste nach dem Zeitraum, in dem diese Gehölze in Großbritannien existieren:
Weide (Salix) 13.000 Jahre - 450 Insektenarten
Birke (Betula) 13.000 Jahre - 334 Insektenarten
Eiche (Quercus) 9.000 Jahre - 423
Weißdorn (Crataegus) 7.000 Jahre - 209
...
Walnuss (Juglans) 600 Jahre - 7 Insektenarten
Rosskastanie (Aesculus) 400 Jahre - 9 Insektenarten
Robinie (Robinia) 400 Jahre - 2
Wie der Nilbarsch im Viktoriasee auf recht drastische Weise veranschaulicht, kann in dieser Zeit vieles bereits unwiederbringlich verloren sein. Im Viktoriasee entwickelte sich eine unglaubliche Vielfalt von (relativ kleinen) Buntbarschen. Mit der Ansiedelung des (viel größeren) Nilbarsches war es damit mit einem Schlag vorbei. Die örtliche Fischerei erlebte eine Blüte (die allerdings vorwiegend Investitoren von sonst wo zugute kam, während die dortigen traditionellen Nutzungs- und Lebensweisen vor die Hunde gingen), die Artzahl sank. Mittlerweile besteht der Fang hauptsächlich aus Nilbarsch, Garnelen und ein oder zwei einheimischen Arten, die bislang überlebt haben. Die Nilbarsche leben wohl mittlerweile vorwiegend von Garnelen, die als einzige Detritusfresser übriggeblieben sind und gut gedeihen. Der See ist dabei, zu kippen, weil zu wenig Algen- und Detritusfresser da sind; die Abwässer der umliegenden Agrarwirtschaft und Industrie düngen zum Ausgleich zusätzlich. Der Sauerstoffgehalt sinkt, oder anders gesagt, die Schicht anoxischen Wassers am Seegrund steigt in immer höhere Wasserschichten. Manchmal schwappen Wellen von diesem sauerstoffarmen Wasser hoch - Ende des dort gerade schwimmenden aeroben Lebens. Gespenstisch. Voller Erfolg auf der ganzen Linie. Ah, dazu gibt's auch einen
Wikiartikel
Ein Beispiel für einen ähnlich rasanten tierischen Erfolg ist die
Nachtbaumnatter auf Guam - ein Vogelparadies, in dem mittlerweile noch ganze drei Vogelarten vorkommen. Zum Ausgleich geht's den Spinnen jetzt gut - Vögel und Echsen, die sie fressen würden, gibt's ja keine mehr. Sie haben sich sogar die Muster in den Netzen abgewöhnt: diese Zickzackstreifen, wie sie unsere Wespenspinnen so schön zeigen etwa, dienen vor allem dazu, Vögel vor dem Netz zu warnen, so dass die außenrum fliegen und das Netz nicht zerstört wird. Das können sich die Guamspinnen nun schenken.
Wer sich für das Thema interesiert, dem sei "Die Ameise als Tramp" von Bernhard Kegel empfohlen. Liest sich super - allerdings wird einem ganz anders dabei.