Die Wurzel, ein vielseitiges Organ

 
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Die Wurzel, ein vielseitiges Organ

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Gepostet: 20.08.2012 - 11:06 Uhr  ·  #1


Teil II: Verkannte Multitalente

Ihre Wurzeln geben der Pflanze Halt, versorgen sie mit Wasser und Nährstoffen. Manche übernehmen jedoch gänzlich andere Aufgaben. Einige sind so spezialisiert, dass man ihnen “die Wurzel” gar nicht mehr ansieht. Äußerlich mögen sie sich daher so stark unterscheiden wie Farnwedel von Seerosenblättern oder Kakteendornen. Sie alle jedoch sind blattlos und durch ihre zentral liegenden Gefäße besonders zugfest.

Quellen auf dem Baum

Da ihnen der Kontakt zur Erde fehlt, bilden besonders Epiphyten, also Aufsitzerpflanzen, dicke Luftwurzeln aus. Mit Hilfe eines schwammartigen Gewebes, des Velamen radicums, saugen sie Regenwasser auf. Manche Luftwurzeln sind grün, sie betreiben Fotosynthese. Einige[n] Orchideen, etwa Chiloschista luniferus, verlassen sich so auf diese platten Wurzeln, dass ihre Blätter fast ganz verschwunden sind.
Andere Epiphyten plündern direkt die Unterlage, auf der sie gedeihen. Misteln etwa bohren dicke, keilförmige Rindenwurzeln in das Holz des Wirtsbaumes und zapfen über kurze Gefäße seine Wasserleitungen (Xylem) an. Andere Schmarotzer, etwa Arten des Sommerwurz (Orobanche), bedienen sich an der, für die Wurzeln des Wirtes bestimmten[,] Zuckerlösung und können damit ganze Wurzelbereiche zum Absterben bringen.

Vom Horten und Tauchen

Manche Pflanze nutzt ihre Wurzeln nicht nur für die Nährstoffaufnahme, sondern als Rübe oder Knolle auch als Lagerort. Wasser kann ebenfalls in Wurzeln eingelagert werden. Schwache Wurzelsukkulenz zeigen beispielsweise Grünlilien (botanisch Chlorophytum comosum), die mit ihren dicken Wurzeln schon manchen Topf gesprengt haben.
Wer in dauerfeuchten Gegenden lebt, hat kein Problem mit der Wasserbeschaffung. Dafür wird die Sauerstoffversorgung der Wurzeln zur echten Herausforderung. Mangroven der Gattung Sonneratia etwa belüften ihre unterirdischen Teile mithilfe aufwärtswachsender Atemwurzeln, die ihrerseits durch seitliche, abwärtsgerichtete Ankerwurzeln gestützt werden. Sumpfzypressen und die Mangrove Ceriops roxburghiana “atmen” dagegen mit Wurzelknien, die durch zapfenförmige Verdickungen an der Oberseite der Wurzeln entstehen.

Sicherer Halt für alle Fälle

Mancherorts ist eine Verankerung im Boden mit tiefreichenden Wurzeln nicht möglich.
Riesige Bäume klammern sich mit schmalen, breiten Brettwurzeln im dünnen Substrat tropischer Regenwälder fest. Rhizophora-Mangroven, Schraubenbäume (Pandanus spec.) und Mais (Zea mais) bilden lange Stelzwurzeln, die ihnen oberirdisch Stabilität verleihen. Fassadenkletterer wie der Efeu (Hedera helix) klammern sich mit Haftwurzeln an Mauern und Bäume. Auch Vanille (Vanilla planifolia) klettert mit ihren Wurzeln. Sie bildet kurze Wurzelranken, die sich an Rinde festsetzen.

Rückzug unter die Erde

Sämlinge, die nahe der Erdoberfläche auskeimen, müssen sich zum Schutz vor Witterung und Verbiss nach unten bewegen. Spargelsämlinge (Asparagus officinalis) etwa liegen nach drei bis vier Jahren in 20 bis 40 Zentimetern Tiefe. Verantwortlich für diese Bewegung sind Zugwurzeln. Indem sie sich um bis zu zwei Drittel verkürzen, ziehen sie die Pflanze nach unten oder sorgen für seitlichen Abstand zu ihren Nachbarn. Besonders verbreitet sind sie unter geophilen Pflanzen, also solchen mit unterirdischen Überdauerungsorganen, wie Aronstäben (Arum maculatum) oder Taglilien (Hemerocallis spec.). Krokusse und andere Gewächse mit Zwiebelknollen bilden jedes Jahr eine neue Knolle über der alten und müssen sich immer wieder in die Tiefe ziehen.

Grüne Selbstverteidigung

Manche Palmen, wie Acanthorrhiza und Mauritia, beglücken den Kübelgärtner mit kurzen, oberirdisch aus dem Stamm wachsenden Wurzeln, die sich zu kräftigen Dornen verfestigen.

So kompliziert die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen aus dem Boden auch ist, Wurzeln leisten noch viel mehr. Mit ihrer Hilfe können Pflanzen atmen, klettern und sich zur Wehr setzen, einige können mit ihnen sogar “wandern”. Die Vielfalt dieser “Allerweltsorgane” ist in jedem Fall einen zweiten Blick wert. -rh-



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