Kannenpflanzen katapultieren Insekten bei Regen

 
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Kannenpflanzen katapultieren Insekten bei Regen

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Gepostet: 19.07.2012 - 19:25 Uhr  ·  #1
Relativ wenige Pflanzenarten können tierisches Eiweiß verdauen. Es gibt nur ca. 500 fleischfressende Arten, die zum Großteil in den Tropen beheimatet sind. Die Lebensräume dieser Pflanzen sind geprägt von einem Substrat, das sehr arm an Stickstoff- und Phosphatverbindungen ist. Es fehlen somit Bausteine zum Aufbau von Proteinen und DNA. Die ökologische Nische, die karnivore Pflanzen einnehmen, wird durch die Eröffnung neuer Nährstoffquellen in Form von tierischer Nahrung möglich. Man unterscheidet bei den Fallen zum Fangen der Beute zwei verschiedene Systeme: aktive Fallen, die Fangbewegungen ausführen können, und passive Fallen wie Reusen oder Gruben. Die Kannenpflanzen oder Nepenthaceae sind als passives Fangsystem bekannt. Die wissenschaftlichen Entdeckungen an Nepenthes gracilis zeigen eine neue Facette dieses Systems.


Foto: Nepenthes gracilis

Die Funktionsweise der Kannenpflanze

Der Fangmechanismus der Kannenpflanze ist eine passive Gleitfalle. Die Gleitfallen bestehen aus Fangblättern, die wie Kannen geformt sind. Die Blätter imitieren dem Aussehen nach Blüten: Sie haben eine ähnliche Form, eine attraktive Färbung und auch eine Sekretion von Nektar am Kannenrand kommt bei manchen Sorten vor. All diese Umbauten dienen der Anlockung von Insekten. Die Innenseite der Falle ist eine sehr glatte Fläche, so dass die angelockte Beute sich auf dem glatten Untergrund nicht mehr halten kann und ins Innere gleitet. Ein Entkommen aus der Falle wird durch komplizierte Oberflächenstrukturen wie Haare oder abrutschende Wachskristalloide sowie eine verdickte Kannenwand verhindert. Die Verdauungsflüssigkeit in den Kannen zersetzt nun die Beutetiere und verschafft der Pflanze Nährstoffe.
Was der Wissenschaft jedoch bisher ein Rätsel war, war der Deckel, der über die Öffnung der Fangkanne ragt. Vermutet wurde, dass es sich dabei ursprünglich um einen Schutz der Verdauungsflüssigkeit vor zu starker Verdünnung durch Regen handelte oder einen Überflutungsschutz. Jetzt seien davon aber nur noch Rudimente übrig. Letztlich blieb die Funktion des Deckels ungeklärt. Durch die Beobachtungen an Nepenthes gracilis kommt nun im wahrsten Sinne des Wortes wieder Bewegung in die Deckel-Thematik.

Neueste Entdeckung bei Nepenthes gracilis

Eine Forschung an Kannenpflanzen unter der Leitung von Dr. Ulrike Bauer von der Cambridge Universität hat durch eine zufällige Beobachtung bei Nepenthes gracilis Erkenntnisse gebracht: Insekten, die vor dem tropischen Regen Schutz suchen und an die Unterseite des Kannendeckels krabbeln, können von diesem wie von einem Sprungbrett direkt in die Verdauungsflüssigkeit geschleudert werden. Nach der zufälligen Beobachtung eines Käfers, der dieses Schicksal erlebte, forschten die Wissenschaftler unter simuliertem Regen und mit Ameisen als Schutzsuchenden weiter. Bei Regen konnten sich ca. 40% der Ameisen nicht mehr an der Deckelunterseite festhalten. Dieser Aquaplaning- Effekt bei Nepenthes gracilis kommt auch durch eine mit speziellen Wachskristallen bestückte Oberflächenstruktur zustande, die erst bei einsetzendem Regen keinen Halt mehr bietet. Der Kannendeckel der Nepenthes graclis sekretiert außerdem mehr Nektar als bei anderen Kannenpflanzen üblich, so dass die Beuteinsekten direkt zum Deckel gelockt werden und nicht nur zum Peristom.

Anzucht der Nepenthes gracilis
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