Das Tulpen-Museum in Amsterdam

 
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Das Tulpen-Museum in Amsterdam

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Gepostet: 10.03.2010 - 12:43 Uhr  ·  #1
Sjoerd van Eeden, Museumsleiter –
Ein Haus für des Niederländers liebstes Gewächs


Wer an die Niederlande denkt, der denkt meist auch an Tulpen. Dieser holländischen Nationalblume ist in Amsterdam ein kleines, aber feines Museum gewidmet. Das Tulpenmuseum liegt unweit des Anne-Frank-Hauses in der Prinsengracht. Zu den Exponaten gehören Fotos, historische Bilder und Videos, welche die Geschichte der Zwiebelblume von den wilden Anfängen über erste Züchtungen am Hofe des Sultans von Konstantinopel bis hin zum modernen Anbau erläutern. Direkt über dem Ausstellungsraum befindet sich ein kleiner Laden, der zum Bersten gefüllt ist mit Blumenzwiebeln und Tulpen-Souvenirs jeder Art. Wir haben mit Sjoerd van Eeden, einem der Gründer des Tulpenmuseums gesprochen.

Herr van Eeden, wie kommt man auf die Idee ein Tulpenmuseum zu eröffnen?
van Eeden: Zunächst einmal gab es nur den Shop, in dem wir das ganze Jahr über verschiedene Blumenzwiebeln verkauften. Immer wenn die Pflanzzeit der Frühjahrsblüher kam und wir neben den Tulpenzwiebeln auch unzählige Hyazinthen, Narzissen, Krokusse im Sortiment hatten, ist uns aufgefallen, dass die Leute den Tulpen immer ein besonderes Interesse entgegen brachten. Ich denke, Tulpen sind bei den meisten Menschen so beliebt, weil sie im Frühjahr als erstes die gesamte Palette der Farben wieder in die Gärten bringen. Darüber hinaus ist die Blume natürlich auch eines der stärksten Symbole für Holland und für die Stadt Amsterdam. Gemeinsam mit zwei Freunden habe ich deshalb 2005 beschlossen, dies Museum einzurichten. Wir sind alle drei Kinder von Tulpenzwiebelzüchtern und haben deshalb einen starken Bezug zu dieser Blume.

Und keiner von Ihnen hat den elterlichen Betrieb übernommen?
van Eeden: Der Anbau von Tulpenzwiebeln ist ein Fulltimejob, der einen das ganze Jahr über beschäftigt und den man nicht so nebenbei machen kann. Deshalb wollte ich den Betrieb nicht übernehmen. Das wäre ein anderes Leben gewesen, als ich es hier in der Stadt führe. Ich habe Geschichte studiert. In meine Arbeit für das Museum kann ich meine historisches Kenntnisse und meine Liebe zur Tulpe einbringen – eine perfekte Verbindung zweier Leidenschaften.

Woher haben Sie all die Ausstellungsstücke?
van Eeden: Wir haben alles selbst gesammelt. Freunde haben natürlich geholfen und z.B. von ihren Reisen nach Zentralasien Fotos von wilden Tulpen mitgebracht. Die nördliche Region des Himalajas ist der wichtigste Lebensraum der Blumen. Etwa 60 Prozent aller Wildtulpen sind dort heimisch. Hier im Museum sieht man natürlich auch einige historische Fotos und Exponate, die von den Betrieben unserer Eltern und Großeltern stammen. Die Geschichte des Tulpenanbaus in Holland lässt sich damit gut veranschaulichen.

Wie viele Besucher haben Sie hier im Museum?
van Eeden: Im Schnitt besuchen etwa 100 Menschen am Tag das Museum. In den Shop kommen natürlich wesentlich mehr. Etwa 90 Prozent der Besucher sind ausländische Touristen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die meisten Niederländer glauben, sie wüssten schon alles über die Tulpe.

Haben Sie persönlich eine Lieblingstulpe?
van Eeden: Das ändert sich immer mal wieder. Meine liebste Wildtulpe ist ‚Clusiana Lady Jane‘, die ursprünglich aus Afghanistan stammt. Von den Gezüchteten mag ich besonders die ‚Change up‘ – eine Sorte, die ihre Farbe ändert: Die Blütenknospe ist zunächst gelb, aber je mehr sie aufblüht, um so mehr wird ihre Farbe zu einem leuchtenden Orange. Außerdem mag ich ‚Marilyn‘ – eine rot-weiß geflammte Tulpe. Sie ist die moderne Variante der berühmten ‚Semper Augustus‘ Tulpe, die den ersten Börsencrash in der Geschichte ausgelöst hat.

Eine Tulpe löste einen Börsencrash aus?
van Eeden: Ja, die Tulpe erreichte Holland um 1600, in einer Zeit als wir eines der reichsten und wirtschaftlich stärksten Länder Europas waren. Die seltenen Blumen wurden schnell zum Sammlerobjekt der Wohlhabenden. Teuer und begehrt waren vor allem die mehrfarbig geflammten Tulpen. Wenn man das Glück hatte, eine außergewöhnliche Sorte in die Hände zu bekommen, konnte man gutes Geld damit machen. Schnell wurde dann aber aus dem Handel reine Spekulation. 1636 wurde beispielsweise bei einer Versteigerung in Haarlem für drei Zwiebeln der Sorte ‚Semper Augustus‘ die unglaubliche Summe von 10.000 Gulden gezahlt. Das entsprach in etwa dem Preis eines großen Kanalhauses in Amsterdam. Die Katastrophe kam, als einige Händler nicht mehr den Preis für die Blumenzwiebeln bekamen, auf den sie spekuliert hatten. Das hatte ähnliche Auswirkungen wie die Immobilienkrise, die vor zwei Jahren in den USA ihren Anfang nahm. Die Spekulationsblase platzte, der Markt fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen und Tausende von Menschen waren ruiniert. Der Geschichte dieser Tulpomanie ist in unserem Museum ein besonderer Bereich gewidmet.

Und diese ‚Semper Augustus‘ Tulpe gibt es heute nicht mehr?
van Eeden: Nein, Tulpensorten haben nur eine bestimmte Lebensdauer. Es ist fast unmöglich eine gezüchtete Sorte zu finden, die älter als 100 Jahre ist. Außerdem wurde damals, in der Zeit des Barocks, die Mehrfarbigkeit bei den Tulpen durch einen Virusinfekt hervorgerufen. Das weiß man aber erst seit einigen Jahren. Heute sind es dagegen Züchtungserfolge, die für das Farbspiel der Blütenblätter verantwortlich sind. In Holland ist es heute streng verboten, Tulpen mit einem Virusinfekt im Freiland anzubauen. In England – wo es nicht so eine große Tulpenindustrie gibt, der die Viren gefährlich werden könnten – gibt es einige Hobbygärtner, die immer noch mit infizierten Pflanzen experimentieren. Von dort bekomme ich ab und zu ein paar ausgefallene Exemplare für unser Museum.

IZB
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‚Marilyn‘ ist der Name dieser rot-weiß geflammten Tulpe. Sie ist die moderne Variante der berühmten ‚Semper Augustus‘ Tulpe, die den ersten Börsencrash in der Wirtschaftsgeschichte ausgelöst hat.
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Die nördliche Region des Himalajas ist der wichtigste Lebensraum der Tulpen. Etwa 60 Prozent aller Wildtulpen sind dort heimisch.
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Das Tulpenmuseum liegt unweit des Anne-Frank-Hauses in der Prinsengracht. Direkt über dem Ausstellungsraum befindet sich ein kleiner Laden, der zum Bersten gefüllt ist mit Blumenzwiebeln und Tulpen-Souvenirs jeder Art.
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Sjoerd van Eeden eröffnete das Tulpenmuseum in Amsterdam 2005 gemeinsam mit zwei Freunden.
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